Über 34'000 Personen traten letztes Jahr aus der römisch- katholischen Kirche aus. So viele wie in keinem anderen Jahr zuvor. Auch die reformierte Kirche verliert weiter Mitglieder. Letztes Jahr über 28'000 Personen. Warum haben viele Personen keinen Draht mehr zu Kirche? Ist das ein Problem?
Die Gründe
Der fehlende Glaube und die öffentlichen Stellungnahmen der Kirche zu gesellschaftspolitischen Themen gehören mit zu den wichtigsten Gründen. So fasste es kürzlich das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) zusammen, als es die Daten zu Kirchenaustritten des Bundesamtes für Statistik vertieft auswertete.
Auch die Kirchensteuer ist ein Grund, warum Männer und Frauen aus der Kirche austreten. Dabei geht es nicht in erster Linie nur ums Geld, sondern um die Institution, die man damit unterstützt. Im Sinne von: Warum soll man für eine Institution bezahlen, deren Werte man nicht teilen kann?
Soziales Engagement
Rund 3 Millionen Mitglieder zählt die römisch-katholische Kirche in der Schweiz. Rund 2 Millionen sind es bei den Reformierten. Befragungen haben gezeigt, dass das soziale Engagement der Kirchen mit ihren Organisationen für viele auch nichtgläubige Personen den Verbleib in der Kirche rechtfertigt. Doch das Eis ist dünn. In der Studie zu Religionstrends in der Schweiz erfährt man zudem, dass sich jedes dritte Mitglied der römisch-katholischen (38 %) sowie der evangelisch-reformierten Kirche (37 %) überlegt, aus der Kirche auszutreten.
Auslaufmodell Landeskirche? Nein!
Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, sagt auf die Frage, was der Schweiz fehlen würde, wenn es keine Landeskirchen mehr gäbe: «Einer Schweiz ohne Landeskirchen würde es an Organisationen fehlen, denen noch über die Hälfte der Bevölkerung angehören. Diese setzen sich für Gemeinsinn und Rücksicht auf die Benachteiligten ein und begleiten Menschen in allen Lebenslagen. Denn sie vertrauen darauf, dass ausnahmslos jeder Mensch ein einzigartiges Geschenk ist: Geboren, um zu leben, um Liebe zu empfangen und zu verschenken.»
Auslaufmodell Landeskirche? Ja!
Lisa Arnold, Geschäftsleiterin Freidenker-Vereinigung Schweiz sieht das anders. «Der Schweiz würde gar nichts fehlen, wenn die Landeskirchen ganz gewöhnliche Vereine wären. Es wäre nicht einmal etwas Besonderes, denn in Genf ist das bereits so. Wir würden sogar einiges gewinnen. Die Kirchen tun viel Gutes – das wäre aber auch alles ohne sie möglich, säkular und humanistisch. Dass dieses Jahr mehr Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, bestätigt, dass immer mehr Menschen merken, dass die Kirche wirklich kein Gewinn für sie darstellt.»