Wie im Bilderbuch sieht es aus – dort, wo Jodok Vuille (36) aufgewachsen ist. Auf einem grossen Bio-Bauernhof im Emmental, umgeben von Wiesen und Wäldern. Heute hat der Bauernsohn auf den sozialen Medien mehr als 11 Millionen Follower in der ganzen Welt.
Seinen Job als Musik- und Turnlehrer hängt Jodok Vuille in drei Wochen an den Nagel, um ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen. Er begibt sich mit seinem Cello auf Welt-Tournee. Einen Vorgeschmack auf das, was kommen mag, erhielt er neulich, als eine Anfrage aus Katar ihn erreichte.
Cello im Bett des Piloten
Der Tourismusminister Katars entdeckte ihn auf Instagram und sagte: Den müssen wir haben. Kurz darauf folgte die Einladung. Eine katarische Airline reservierte ihm Businessclass-Plätze – einen für ihn, drei für das Cello. Doch am Flughafen Zürich hiess es: Das geht nicht. Schliesslich bot der Pilot sein Bett fürs Cello an. «Wir haben das ganze Flugzeug unterhalten», meint Jodok.
In Doha wartete ein besonderes Erlebnis: Er spielte für die Königsfamilie. «Drei Meter vor dem katarischen König zu stehen – er winkt dir zu und lächelt – das ist speziell.» Für das halbstündige Konzert erhielt er ein halbes Jahresgehalt.
Butler und Chauffeur für den Bauernsohn
Drei Tage war Jodok Cello in Katar. Und für diese Zeit erhielt der Bauernsohn aus dem «Gummetäli» einen Butler. «Ich war völlig überfordert und wusste nicht, was ich mit ihm machen soll. Auch ein Chauffeur stand bereit, um ihn überall hinzufahren, wo er wollte. Eine spezielle Welt sei das, resümiert der Musiker. Jodok Vuille bezeichnet sich als bodenständig. Er würde das Ganze auch skeptisch betrachten und die Sachen hinterfragen.
Es ist absurd. Unser berühmteste Schweizer Fussballer Xherdan Shaqiri hat halb so viele Follower wie ich.
Dass sein Leben eine so krasse Wende nimmt, habe er nie erwartet, als er sein erstes Video auf dem Säntis drehte – auf einer steilen Felswand, 800 Meter über dem Abgrund. Ein Cello ist kein Piccolo, das man in die Jackentasche steckt. Jodok Vuille trägt es selbst den Berg hinauf, dazu vorne die Tasche mit Equipment. Oft dreht er alleine und wartet stundenlang, bis das Licht perfekt ist.
Seine Drohne kann so programmiert werden, dass sie um ihn herumfliegt. Dass er anfangs barfuss spielte, war Zufall – seine Schuhe waren voller Matsch. Doch alle sprachen darüber, was den Algorithmus pushte. Das Video ging viral, mit Millionen Views. «So wurde ich zum Schweizer Barfuss-Cellist.» Heute hat Jodok Cello über 5,3 Millionen Follower auf Instagram. «Absurd – selbst Xherdan Shaqiri hat nur halb so viele.
Ich muss meine Leute vom Bildschirm in den Konzertsaal bringen
Unterstützung bekam Jodok Cello auch von prominenter Seite. Das dritte oder vierte Video, das er im vertikalen Format für Instagram gemacht habe, ploppte beim James Bond-Darsteller Pierce Brosnan auf. Plötzlich sah ich auf Instagram Analytics, «besondere Nachricht». Ich schaute nach. Er hat das Video geliked und reposted, was über Nacht wiederum mehrere Tausend Follower generierte.
Social Media ist ein Luftschloss – niemand weiss, wann es einstürzt. Deshalb hat Jodok Cello ein Ziel: «Ich muss meine Leute vom Bildschirm in den Konzertsaal bringen.»
Ab März geht es auf Welt-Tournee. Sein grösster Traum? Mit Coldplay auf der Bühne stehen. «Ich sterbe nicht, bevor das passiert.» Und danach? «Ein kleines Bauernhöfli im Emmental, den Nahrungskreislauf selbst sichern, mit guten Menschen leben – mehr braucht es nicht für Glück.»