SRF: Wurde bei euch zu Hause der Muttertag gefeiert?
Barbara Bleisch: Als ich Kind war, wurde das zu Hause mit meinen Geschwistern zusammen sehr zelebriert. Aber heute mit meiner eigenen Familie wird er nicht mehr gefeiert.
Warum nicht?
Ich wollte keinen Muttertag feiern. Ich habe das Privileg, dass ich sehr gleichberechtigt die Familienarbeit mit meinem Mann teile. Darum finde ich: Wenn schon, dann müsste ein Elterntag gefeiert werden.
Aber einen Vatertag gibt es ja auch.
Interessanterweise basteln die Kinder in der Schule aber nicht für den Vatertag. Sie kamen jeweils nur mit ihren Geschenken zum Muttertag. Diese habe ich dann geteilt.
Wenn deine Kinder Geschenke aus der Schule für den Muttertag mitbringen, ist ihnen denn klar, dass das bei euch für beide Elternteile sind?
Sie sind mittlerweile schon etwas grösser und bringen nichts mehr aus der Schule mit. Aber am Muttertag haben wir keine Pläne, diesen zu feiern. Das ist mit einem konservativen Rollenbild verbunden: Das Mami ist nicht berufstätig und macht alles zu Hause, den ganzen Haushalt – und für diese Arbeit bedankt man sich einmal im Jahr. Für viele jedoch, die so leben wie ich und sich diese Arbeit mit dem Vater teilen, ist dieses Bild einfach nicht mehr richtig. Meine Kinder sind sich gewohnt, dass man das gemeinsam macht und sich gegenseitig hilft.
Du hast ein Buch mit dem Titel «Warum wir unseren Eltern nichts schulden» geschrieben. Heisst das, man schuldet der Mutter auch kein «Merci» am Muttertag?
Der Buchtitel ist natürlich verkürzt. Ich würde es etwas ausholen: «Warum wir unseren Eltern nichts schulden, allein aufgrund der Tatsache, dass wir ihre Kinder sind». Das heisst, es gibt sehr viele Kinder, die sich ihren Eltern aus guten Gründen verpflichtet fühlen. Sei es, weil sie ein sehr enges Verhältnis haben, weil sie sich sehr gerne haben und eine liebevolle Beziehung haben. Das kann immer ein Anlass sein, «Danke» zu sagen. Das sind wunderschöne Momente, gegen die ich nichts habe.
Der Muttertag ist mit einem sehr konservativen Rollenbild verbunden.
Das Buch wendet sich nur gegen die Idee, dass ein Kind von vornherein immer in der Schuld der Eltern stehen. Denn aus einer Schuldigkeit heraus kann keine gesunde Beziehung entstehen. Man sollte sich auf Augenhöhe begegnen.
Wie sollte deiner Meinung nach ein «korrekter» Muttertag gefeiert werden?
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die wenn schon einen Elterntag feiert, weil der Vater zu Hause genauso mit anpackt und darum auch ein «Danke» verdient. Noch schöner fände ich einen Familientag, bei dem man schaut: Gehen wir gerecht miteinander um? Wie ist die Hausarbeit aufgeteilt und was können die Kinder dazu beitragen? An diesem Punkt ist unsere Gesellschaft bisher noch nicht.
Das Gespräch führte SRF 1 Moderator Adrian Küpfer. Die ganze Sendung zum Thema «Braucht es den Muttertag» können Sie hier hören: