Als Vorbild könnte der Kanton Genf dienen. Dort kennt man bereits das Stimmrecht für geistig Behinderte. Die Genfer Bevölkerung hat vor zweieinhalb Jahren beschlossen, dass auch bevormundete Menschen, die heute unter einer sogenannt umfassenden Beistandschaft stehen, mit geistiger oder psychischer Beeinträchtigung auf Kantons- und Gemeindeebene abstimmen und wählen dürfen.
«Abstimmen und Wählen zeigt, dass wir einfach dazugehören», sagt Damian Bright. Er ist 31 Jahre alt und hat Trisomie 21 – das Down-Syndrom. Damian Bright hat sich sein Stimm- und Wahlrecht per Gericht erkämpft. Und er hat mitgeholfen, dass der Kanton Genf in dieser Frage eine Pionierrolle eingenommen hat.
Die UNO-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Schweiz seit 2014 dazu, Menschen mit Behinderungen gegen Diskriminierungen zu schützen und sie auch am politischen Leben teilhaben zu lassen.
Initiative im Kanton Solothurn
Ein Komitee hat im Kanton Solothurn die Initiative «Politische Rechte für Menschen mit geistiger Behinderung» lanciert. Diese verlangt, dass auch Personen, die unter einer umfassenden Beistandschaft stehen, stimmen und wählen dürfen.
Eine umfassende Beistandschaft wird dann angeordnet, wenn eine besonders ausgeprägte Hilfsbedürftigkeit besteht. Der eingesetzte Beistand hat sich dann für alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs zu kümmern. Davon ausgenommen sind jedoch die absolut höchstpersönlichen Rechte, bei denen jede Vertretung ausgeschlossen ist. Zum Beispiel das Recht, medizinischen Behandlungen zuzustimmen, das Recht über eine religiöse Zugehörigkeit zu entscheiden oder das Recht, ein Testament zu errichten. (Quelle: Pro Infirmis)
Aktuell stehen im Kanton Solothurn 206 von 182'218 Stimmberechtigten (0.1%) unter einer umfassenden Beistandschaft. Jährlich werden zudem ca. 60 Verträge von urteilsunfähig gewordenen Personen, die sich durch eine andere Person vertreten lassen, genehmigt. Diese beiden Personenkategorien sind vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen.
Forderung «Leichte Sprache»
Die Solothurner Initiant:innen fordern auch die Einführung der sogenannten «Leichten Sprache». Das Hilfsmittel soll den Zugang zu Informationen ermöglicht. Sie vereinfacht Texte und macht diese leicht verständlich. Es sollen nur einfache Hauptsätze mit jeweils einer Aussage gewählt und diese auf je einer Zeile geschrieben werden. Schwierige Wörter werden vermieden oder erklärt und Abstraktes mit Beispielen illustriert.
Die Bundesverwaltung hat auf ihrer Webseite mehrere Beispiele zur «Leichten Sprache». Die Erklärung zur Gleichstellung sieht folgendermassen aus:
Gleichstellung bedeutet,
dass alle Menschen mit Behinderungen
die gleichen Rechte und Chancen haben,
wie Menschen ohne Behinderungen.
Gleichstellung bedeutet auch,
dass sie diese Chance nutzen
und ihre Rechte einfordern können.
Menschen mit Behinderungen sind
Menschen ohne Behinderung nur gleichgestellt,
wenn sie diese Chancen und Rechte bekommen.
22% der Schweizer Bevölkerung haben eine Behinderung
Dazu gehören Menschen mit Mobilitäts-, Seh-, und Hörbeeinträchtigungen, psychischen (z.B. Depressionen) und kognitiven Beeinträchtigungen (z.B. Trisomie 21) sowie neurodivergente Personen (Autismusspektrum).