Im Jahr 1986 erhitzte der Friedhofsverwalter vom Friedhof Fluntern in Zürich die Gemüter, weil er eine ehemalige Grabreihe in ein Gemüsebeet verwandelt und Kohlköpfe, Kopfsalat und Buschbohnen angepflanzt hatte.
Das damalige Gartenbauamt entschied daraufhin, dass der Anbau von Gemüse auf dem Friedhof «pietätslos» sei und der Friedhofsverwalter sein Gemüsebeet wieder abräumen müsse. Immerhin: Laut dem «Tages-Anzeiger» hat das Gartenbauamt dem Friedhofsverwalter extra noch etwas Zeit gegeben, «damit die Bohnen ausreifen können».
Wie sieht die Situation heute aus?
Auf Basler Friedhöfen werden schon lange auf wenigen Gräbern Nutzpflanzen angebaut, solange damit Friedhofsverordnung eingehalten wird und sie nicht zu gross sind. «Das ist aber eigentlich kein Trend und auch nicht aussergewöhnlich», meint Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei Basel.
Auf dem grössten Friedhof der Schweiz, dem Basler Friedhof «am Hörnli», gibt es wild wachsende Obstbäume und einen Imker mit Bienenstöcken. Auf einem Grab hat die Stadtgärtnerei einen Apfelbaum gepflanzt.
Die Friedhofverwaltung Luzern teilte auf Anfrage mit, dass urbanes Gärtnern auf dem Friedhof ebenfalls erlaubt ist, sofern die Friedhofsverordnung eingehalten wird.
«Es gibt hinter einem Familiengrab einen Apfelbaum, der schon sehr alt ist. Wir haben keine Ahnung, ob die Angehörigen oder unsere Vorgänger das Bäumchen gepflanzt haben», sagt Philipp Furrer, Stellvertretender Leiter Friedhöfe der Stadt Luzern. Das «Bäumchen» ist mittlerweile circa drei Meter hoch und soll trotz des Verstosses gegen die Friedhofsverordnung auch zukünftig bestehen bleiben.
Die Friedhofverwaltung ersetzt bei Gräbern, die beispielsweise aufgrund der verstorbenen Person besonders erhaltenswert sind, sogar aktiv gewisse Nutzpflanzen, damit die Gräber gepflegt wirken. Weil die Verwaltung den sehr aufwendigen Pflegeaufwand dieser Gräber verringern musste, hat sie standortgerechte und pflegeleichte Pflanzen wie Küchenkräuter oder Erdbeeren angebaut.
«Grusig» ist das Grabgemüse nicht. Keine Nutzpflanze wurzelt so tief, dass sie mit den Bestatteten in Kontakt kommen kann.
Eine Oase am Rande vom Friedhof
Auch abseits der Grabsteine blüht es auf dem Friedhof Friedental in Luzern. Anfang 2022 gab die «Stiftung Luzerner Feuerbestattung» das alte Krematorium Areal an die Stadt Luzern ab.
Für wen haben wir den Friedhof? Für die Verstorbenen oder die Hinterbliebenen?
Der Verein «Die Kräuterei» schlug ein Zwischennutzungskonzept vor, das 2020 umgesetzt wurde. Aktuell gibt es vier Vereine, die die frei stehende Fläche beim ehemaligen Krematorium für Gartenarbeiten nutzen. «Grundsätzlich kam das Projekt sehr positiv an bei der Bevölkerung», sagt Tobias Lauber, ein Mitglied der «Kräuterei».
Philipp Furrer bemerkt einen Wandel im Verständnis von Friedhöfen. «Wenn ich Führungen mache, frage ich die Leute: Für wen haben wir den Friedhof? Für die Verstorbenen oder die Hinterbliebenen? Danach sieht die Sichtweise oft anders aus.»
Anders als im Jahr 1986, löst Friedhofsgemüse heutzutage keine Kontroverse mehr aus. Oder doch? Was denkst du?