Fäkalien mögen nicht den besten Ruf haben, aber sie sind reich an Nährstoffen. Den Mist unseres Viehs spritzen wir als Gülle auf die Felder. Unsere Ausscheidungen aber, die schwemmen wir weg. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit in aller Munde ist, frage ich mich: Warum eigentlich?
Menschlicher Mist als Handelsgut
Für die Bewirtschaftung der Felder und Gärten verwendete man einst die Nährstoffe aus der eigenen Mistgrube, erklärt Historiker Martin Illi. Bereits im Spätmittelalter wurde dem Mist auch eine grosse wirtschaftliche Bedeutung zugemessen. Es wurde damit Handel betrieben. Bauern füllten ihre Jauchewägen in der Stadt und fuhren damit aufs Feld.
Den menschlichen Mist verlud man auf Schiffe und brachte ihn an die Goldküste. Dort wurde er als Dünger eingesetzt.
Ende des 19. Jahrhunderts stellten viele auf die Viehzucht um. Fortan hatten sie eine hofeigene Düngerproduktion und vorallem gab es auf dem Markt Kunst- und Handelsdünger. Das Interesse am Mist sank. Aber Dünger aus menschlichen Ausscheidungen blieb dennoch noch lange etwas Normales. Selbst dann, als sich im 20. Jahrhundert die sogenannte Schwemmkanalisation durchsetzte, die wir heute noch verwenden.
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Bild 1 von 6Legende: Dünger aus der Stadt Landwirte füllen ihren Jauchewägen in der Stadt Zürich und fuhren damit auf die Felder. Das Bild erschien 1905 in einer offiziellen Festschrift der ETH Zürich. Die Fäkalienbewirtschaftung der Stadt galt als Vorzeigeobjekt. Oechsli, Wilhelm, Festschrift 50 Jahre ETH, 1905.
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Bild 2 von 6Legende: Stadtmist für die Seegemeinden An der Schifflände am Ufer der Limmat befanden sich die Miststöcke der Stadtbevölkerung. Ein Teil des Mists wurde auf Schiffe verladen und in den Seegemeinden als Dünger verwendet. Das Bild wurde 1810 gedruckt mit dem Titel «Vue prise près de l'auberge du Corbeau à Zurich». Meyer Johann Jakob [1810]. Zentralbibliothek Zürich, ZH, Stadt II G, 110.
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Bild 3 von 6Legende: Latrinen-Inhalt als Lohnbestandteil «Der Inhalt der Schulhaus-Latrine durfte der Lehrer für sein Feld mitnehmen, sozusagen als Lohnbestandteil», erklärt Historiker Martin Illi. Das Bild zeigt das erste Schulhaus von Wädenswil. Rechts sieht man den Lehrer, der mit einer Schöpfkelle die «Bschütti» austrägt. Archiv Peter Ziegler, Wädenswil
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Bild 4 von 6Legende: Seit 2006 verboten Ein Schweizer Landwirt verteilt Klärschlamm über das Feld (1988). Keystone
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Bild 5 von 6Legende: Will den Nährstoff-Kreislauf schliessen Kompotoi-Gründer Jojo Linder präsentiert den Kompost, der aus den Inhalten der Kompotois hergestellt wurde. SRF
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Bild 6 von 6Legende: Kein Geruch Ist nicht mehr von «normalem» Kompost zu unterscheiden, der Kompost welcher aus den Inhalten der Kompotois entstanden ist. SRF
Aus den Augen, aus dem Sinn
Für die durchschnittliche Bevölkerung hiess es fortan: Spülung drücken und «aus den Augen, aus dem Sinn». Aber als Teil des Klärschlamms wurden menschliche Ausscheidungen noch lange auf den Feldern ausgebracht. Erst 2006 wurde dies verboten. Die potentiellen Rohstoffe werden seither ungenutzt verbrannt. Warum?
«Unsere Ausscheidungen sind angereichert mit Schadstoffen, Schwermetallen und Mikroverunreinigungen von Medikamenten», erklärt Michael Zimmermann vom Bundesamt für Landwirtschaft. Zudem befürchtete man, durch den Schlamm könne der Rinderwahn verbreitet werden.
Den Kreislauf wieder schliessen
«Es kann doch nicht sein, dass beste Nährstoffe einfach weggespült werden», findet Jojo Linder. Seit 2012 baut er Kompost-Toiletten. Heute vermietet er solche. Sie funktionieren ohne Wasser und Chemie. Über das persönliche Geschäft gibt man einen Einstreu. Dieser neutralisiert Gerüche und hilft bei der späteren Kompostierung.
Wir wollen die besten Nährstoffe recyclen. Es kann doch nicht sein, dass wir diese einfach wegspülen.
Bei dieser würden alle potentiell krankheitsgefährdenden Keime abgebaut, versichert Linder. Zudem hätten sie, verglichen mit dem Abwasser in der Kläranlage, einen «sehr reinen Rohstoff». Es entstehe ein organisch wertvolles Endprodukt. Dank der Vermietung könne man auf die Thematik aufmerksam machen: «Die breite Bevölkerung weiss nicht, was für ein Wert in unseren Ausscheidungen steckt.»
Das flüssige Gold
Auch Urin lässt sich recyclen. Seit 2018 ist in der Schweiz ein Dünger für Blumen und Gemüse erhältlich, der komplett aus menschlichem Urin hergestellt wird. In einem am Wasserforschungsinstitut EAWAG entwickelten Verfahren eliminieren Bakterien, Aktivkohlefilter und Verdampfer sämtliche Schadstoffe aus dem Urin. Aus 500 Litern entstehen 35 Liter Flüssigdünger.
Theoretisch könnten wir mit Recycling den kompletten Düngebedarf decken.
Um Urindünger bekannt zu machen, touren Bastian Etter, Geschäftsführer der Vuna GmbH, und sein Team mit einer mobilen Düngerfabrik durchs Land. Wegen der benötigten Menge Urin lohne sich eine Dünger-Produktionsanlage zurzeit erst an Orten, wo rund hundert Personen regelmässig in wasserlose Urinale oder Trenntoiletten urinieren.
Werden wir in Zukunft also unsere Ausscheidungen wieder verwerten, wie es einst Usus war? «Das Verhalten auf sanitären Anlagen wird sich kaum ändern», meint Jojo Linder, «die Infrastruktur aber schon». Die Nährstoffe aus unseren Ausscheidungen dürften wieder vermehrt zurück in die Böden gelangen.