Die Dritte ist die Heroische. Die Fünfte diejenige mit dem berühmten Schicksalsmotiv. Und die Vierte? Robert Schumann nannte sie «griechisch schlank», Ludwig Rellstab «ein gereiztes Raubthier». Ja, was nun?
Entstanden ist Beethovens 4. Sinfonie im Spätsommer 1806. Ein Jahr später, 1807, wurde sie im Palais Lobkowitz in Wien uraufgeführt: «Ein Werk, sprühend vor Genialität, Feuer und Effect». Mit diesen Worten feierte ein Rezensent der «Allgemeinen musikalischen Zeitung» das neue Werk. «Allzu bizarr, unverständlich und abschreckend» lautete dagegen das Verdikt in einer anderen Rezension derselben Musikzeitschrift.
Ja, was denn nun: genial, bizarr – oder beides zusammen? An Beethovens Vierter scheiden sich offenbar die Geister. Denn sie steckt voller Widersprüche.
Wo stand Beethoven damals in seinem Leben? Er wusste, was er konnte. Ihm war klar, dass seine Musik auch die Nachwelt interessieren würde. Er wusste aber auch, dass er ganz taub werden würde. Ausserdem sehnte er sich nach einer gewissen Comtesse Josephine Brunsvik, verwitwete Gräfin Deym. Und so gönnte er sich für einmal eine kürzere, schlankere Sinfonie, die heute ein bisschen ein Schattendasein führt. Mit Betonung auf ein bisschen. Denn alle Sinfonien des Herrn B. sind – ja, was eigentlich? Elefanten? Riesengebirge? Leuchttürme?
Die Vierte jedenfalls ist, trotz der Widersprüche, am ehesten letzteres: Sie ist licht, leicht, schnell, hell. Obwohl sie – da ist der erste Widerhaken – ganz anders beginnt, mit einer langsamen Einleitung: «Wie ein schweres Gewitter zieht sie langsam feierlich heran, umwölkt die Gipfel der Berge, verhüllt die Sonne und droht mit leisem Donner», schrieb damals der bekannte Musikkritiker Ludwig Rellstab.
In der Tat, es wird einem angst und bang, da gibt’s keine Grundtonart, um sich daran festzuhalten, Streicher und Bläser bewegen sich auf dünnem Eis, tasten sich zögernd vor, probieren den Klang, schnuppern an der Tonart – bis die Geigen, begleitet von einem Trommelwirbel, jauchzend auf einem F-Dur- Akkord beharren, der dann in ein pulsierendvitales Allegro vivace mündet: Was für eine Freude, was für ein Tempo, was für eine Energie! Und so geht es weiter: der zweite Satz ein Singen und Seufzen, der dritte ein wilder Tanz, das Finale geprägt von gesanglichen Linien, einem halsbrecherischen Fagottsolo und wieder dieser lichte, funkensprühende Klang ...
Es wird also spannend in der öffentlichen «Diskothek», denn je widersprüchlicher ein Werk, desto kontroverser die Diskussion über die «richtige» Interpretation.
Das Programm
- 13 Uhr Türöffnung, Müller & Schade, Moserstrasse 16, 3014 Bern
- 13.30 Uhr Live-«Diskothek»
- 15.45 Uhr kleiner Apéro
- 16.30 Uhr Türöffnung, Französische Kirche, Zeughausgasse 8, 3011 Bern (15 Gehminuten entfernt von Müller & Schade)
- 17 Uhr Konzert «Les Passions de l’Âme»
- Ca. 18.40 Uhr Ende der Veranstaltung
Konzertprogramm
- G. F. Händel, arr. W. A. Mozart
Ouvertüre zu «Alexander’s Feast», KV 591 - J. Haydn
«Sinfonia concertante in B-Dur», Hob. I: 105 für Violine, Violoncello, Oboe, Fagott und Orchester - L. v. Beethoven
«Symphonie Nr. 4 in B-Dur», op. 60
Les Passions de l’Âme
Solisten: Alexandre Foster (Violoncello), Gustav Friedrichson (Oboe), Gabriele Gombi (Fagott) Solovioline und Leitung: Meret Lüthi.