Mit einer gackernden Oboe zum Erfolg
Beethoven hat bekanntlich neun Sinfonien komponiert – Haydn 107! Beide zählt man zur Wiener Klassik, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Beethovens Sinfonien sind wie Dostojewskis grosse Romane, die die Übersetzerin Swetlana Geier als «fünf Elefanten » bezeichnete. Beethovens «neun Elefanten » sind ebenfalls imposant und unübersehbar.
Haydns über 100 Sinfonien hingegen kann man sich nicht alle merken. Zur besseren Orientierung wurden die späten Sinfonien in Gruppen zusammengefasst: in die Pariser und die Londoner Sinfonien, beide für Auftraggeber der jeweiligen Metropolen komponiert. Die wohl exzentrischste der Pariser Sinfonie ist die Nr. 83 «La Poule». Die gackernde Oboe im ersten Satz hat ihr den Namen gegeben. Haydn liebte solche Anspielungen, kleine Witze, humorvolle Themen – und das französische Publikum frass ihm aus der Hand.
Nach den ersten öffentlichen Aufführungen von Haydns Pariser Sinfonien 1788 tauchten kaum noch andere Werke in den Konzertsälen auf. Haydn wurde angebetet. So schreibt der «Mercure de France» am 12. April 1788: «Man hat bei fast allen Konzerten Sinfonien von Herrn Haydn aufgeführt. Jeden Tag nimmt man sie besser wahr, und als Konsequenz bewundert man umso mehr die Produktionen dieses grossen Genies, das es in jedem seiner Stücke so gut versteht, aus einem einzelnen Thema so reiche und so verschiedenartige Entwicklungen abzuleiten.»
Haydn 2032
Auch in Basel ist das Publikum hingerissen von einem grossangelegten Haydn-Projekt: Zuerst rieb man sich die Augen, als eine frisch gegründete Haydn Stiftung verkündete, dass bis 2032 – zu Haydns 300. Geburtstag – jedes Jahr zwei Haydn-Nächte stattfinden werden; samt «Haydn-Suppe» in der Pause. Am Ende soll eine Gesamteinspielung aller 107 Sinfonien von Joseph Haydn vorliegen, aufgeführt und eingespielt vom Kammerorchester Basel und vom italienische Orchester-Pendent «Il Giardino Armonico».
Warum Haydn?
Haydn? Ist er denn so spannend, dass man diesen Effort wagen kann? Ja, denn sonst hätte der Dirigent Giovanni Antonini, ein Star der alten Musikszene, kaum zugesagt. Er hat sehr hohe Ansprüche, sowohl an die Qualität der Werke als auch an die Interpret:innen. Und dass Haydn ein «unterschätztes Genie» ist, ist ja schon fast ein Gemeinplatz.
Nun geht das Projekt in sein zehntes Jahr und feiert diese runde Zahl im «Don Bosco», wo unter anderem die Sinfonie Nr. 83 «La Poule» aufgeführt wird. Und Radio SRF 2 Kultur lädt vor dem Konzert zur öffentlichen Diskothek.
Die beiden Gäste sind der NZZ-Musikkritiker Christian Wildhagen, seit jeher ein Haydn-Fan und die Geigerin Meret Lüthi, Gründerin und Leiterin des Berner Ensembles «Les Passions de l’Âme», die sich schon länger mit Joseph Haydn beschäftigt und gerade drei seiner Londoner Sinfonien aufgeführt hat. Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion – und im anschliessenden Konzert kann man das Gackern dann gleich noch mal hören, live und lebendig im Konzertsaal.
Das Programm
- 16.15 Uhr: Türöffnung Heinz Holliger Auditorium, Don Bosco Basel
- 16.30 Uhr: Live-«Diskothek»
- 18.30 Uhr: Lesung mit Lorenz Langenegger
- 19.30 Uhr: Konzert mit Pause und Haydn-Suppe, Paul Sacher Saal, Don Bosco
Joseph Haydn:
Sinfonie Nr. 57 D-Dur,
Sinfonie Nr. 58 F-Dur,
Sinfonie Nr. 83 g-Moll «La Poule»
Carlo Farina: Capriccio Stravagante a 4 - 21.30 Uhr: Ende der Veranstaltung