Ich erinnere mich gut: Ich sass meinem Radio-Mentor Peter Bürli im Studio gegenüber, und als zweiter Gast neben mir Platz nahm Willy Bischof, den mir Peter mit den Worten vorstellte: «Was Radiomachen betrifft, habe ich fast alles von ihm gelernt.»
Der Mentor meines Mentors? Ich hatte kaum Zeit, das zu verarbeiten, schon ging es los: «Das ist die ‹Jazz Collection›, Redaktion: Peter Bürli...» – und eine Stunde später war die erste Sendung im Kasten.
Schnurren wie ein Kätzchen – brüllen wie ein Löwe
Über den Sender ging sie allerdings nie. Die Aufnahme war ein Pilot, den Peter Bürli mit seinem früheren Chef und mir produzierte. Das Thema: Oscar Peterson. Welche von den vielen Sternstunden dieses umwerfenden Pianisten wir kommentierten, habe ich vergessen.
In bester Erinnerung aber ist mir eine Formulierung von Willy Bischof über Peterson: «Er kann schnurren wie ein Kätzchen – und brüllen wie ein Löwe!» Mehr noch als das Sprachbild begeisterte mich das Gefühl, das mich noch heute beglückt, wenn einer meiner Gäste den Nagel auf den Kopf trifft. Wie ein Dopaminstoss im Jazzlappen des Grosshirns. Ich wusste: Diese Sendung möchte ich auch mal betreuen.
Wo «Jazz Collection» drauf steht, ist «Jazz Collection» drin
20 Jahre und gut 750 Sendungen später gibt es die «Jazz Collection» noch immer.
Das Format hat sich entwickelt, im Kern aber ist sich die Sendung treu geblieben: Ein Host und ein Gast reden über Musik, ordnen Musikschaffende ein und liefern eine Playlist, die als Einstieg dienen kann, aber auch Fans beglückt.
Ein Reigen von Musik und Musikschaffenden
Dabei erzählen Themen und Gäste nicht nur klingende Jazzgeschichte, sondern stehen auch für die Entwicklung einer lebendigen Szene. Ein Beispiel? Eine der ersten Sendungen hatte den Pianisten Abdullah Ibrahim zum Thema, zu seinem 70. Geburtstag.
Expertin war die damals 63-jährige Irène Schweizer, selber berühmt als Grande Dame des Europäischen Jazz. Ein Jahr später war sie ihrerseits Thema einer «Jazz Collection» – und nach Beendigung ihrer grossen Karriere rund 15 Jahre später gleich nochmals.
Und als Abdullah Ibrahim kürzlich wieder zum Thema wurde, weil er als 90-Jähriger noch immer am Spielen ist, war die Pianistin Anicia Kohler zu Gast. Und ja: Sie hat das Potenzial, selbst einmal zum Thema zu werden.
Das ist Jazz?
Immer wieder zu Diskussionen Anlass gibt die musikalische Bandbreite der «Jazz Collection »: Von den Jazzerfindern wie Louis Armstrong über herausragende Instrumentalistinnen wie Geri Allen bis zu Figuren, die in der Zeit der Plattenläden sicher nicht unter Jazz zu finden waren – Lou Reed etwa, oder Edith Piaff – , sind unzählige Musikschaffende querbeet zu finden.
Auch Themensendungen gibt es, etwa zu Beatles-Songs in Jazzversionen oder Saxophonsoli in Rocksongs. Einmal ging es um die Musik, die die Künstlerin Lee Krasner beim Malen laufen liess, eine Playlist voller Jazzperlen. Die Aufnahme war öffentlich, im Zentrum Paul Klee in Bern, inmitten der prächtigen Lee-Krasner-Bilder.
Zwanzig Jahre nach der ersten Sendung werden wir in einer Spezialwoche Studierende aus der ZHdK, der HKB und der HSLU zu Gast haben. Musikerinnen und Musiker aus der Gen Z, die sich begeistern können für Musikschaffende, auf deren Schultern sie stehen.