Textilhauptstadt
Die Schweiz hört für viele Schweizerinnen und Schweizer in Winterthur auf. Jedenfalls waren sie noch nie in St. Gallen. Es lohnt sich, diese Unterlassung zu korrigieren. Bereits der grosszügige Bahnhof von St. Gallen zeugt von der wirtschaftlichen Bedeutung der Textilhauptstadt bis weit ins 20. Jahrhundert.
Wir schlendern über den «Roten Platz», die erste öffentliche Wohnstube der Schweiz, gestaltet von der Künstlerin Pipilotti Rist und dem Architekten Carlos Martinez.
Kraftort St. Gallen
Am Fluss Steinach hinter dem Stiftsbezirk liegt die Wiege der Stadt. Hier wird St. Gallen als spiritueller Ort und als Kraftort spürbar. Wir tauchen ein in die Legende von Gallus und dem Bären. Sie berichtet, dass einst ein Bär dem Einsiedler Holz für das Feuer gesammelt und dafür einen Laib Brot erhalten haben soll.
Die Namen von Stadt und Kanton erinnern bis heute an den Einsiedler Gallus. Der alemannische Priester Otmar gründet im 8. Jahrhundert an der Stelle der Einsiedlerzelle das erste Kloster.
Eine spirituelle und kulturelle Entwicklung mit Ausstrahlung in ganz Europa setzt ein. In den Krypten der wuchtigen Kathedrale sind Gallus und Otmar begraben. Wir besichtigen den Dom und steigen in die Gruft des heiligen Otmar hinunter.
Wirtschaftlicher Nutzen des ehemaligen Klosters
St. Gallen vermarktet sein kulturelles Erbe offensiv. Etwa 140 000 Interessierte besuchen jedes Jahr den Stiftsbezirk. An Spitzentagen schlurfen bis zu 1000 Besucherinnen und Besuchern in Filzpantoffeln über den Holzboden in der Stiftsbibliothek.
Eine Studie der Universität St. Gallen beziffert den wirtschaftlichen Nutzen des Klosterbezirks für die Region mit 14 Millionen Franken jährlich. Spirituelle Explosion im frühen Mittelalter. Wir umgehen die grossen Besucherströme und besuchen nach dem Mittagessen unter der kundigen Führung des Historikers und Stiftsarchivars Peter Erhart den Gewölbekeller und das Stiftsarchiv des ehemaligen Klosters.
Wir sehen den berühmten St. Galler Klosterplan im Original und tauchen ein in die bewegte Geschichte des Klosters.
Trouvaille St. Galler Klosterplan
Der St. Galler Klosterplan entsteht um das Jahr 825 auf der Insel Reichenau. Er ist die älteste Architekturzeichnung Europas und zeigt die ideale Siedlung des Mittelalters mit Kirche, Wohngebäuden, Brauerei, Gärten, einer Armenherberge, einem Spital usw. In St. Gallen wurde er nie vollständig realisiert, wird heute jedoch in Messkirch am Bodensee von Idealistinnen und Idealisten mit den Instrumenten der damaligen Zeit originalgetreu nachgebaut.
Dereinst sollen dort alle rund 50 Gebäude des Plans stehen. Wer mag, spaziert anschliessend durch die schmucke Altstadt von St. Gallen mit ihren über 100 Erkern zurück zum Bahnhof.
Programm
- 9.30 Uhr: Treffpunkt im Bahnhofsgebäude St. Gallen vor dem Restaurant Yooji’s Sushi Deli. Besuch «Roter Platz» und Stiftsbezirk mit Gründungsort an der Steinach und Kathedrale St. Gallen
- 12 Uhr: Mittagessen im Restaurant Hotel Dom
- 14 Uhr: Führung mit Stiftsarchivar Peter Erhart im Stiftsarchiv und im Gewölbekeller
- 16.00 Uhr: Spaziergang durch die Altstadt zum Bahnhof
- 16.30 Uhr: Ende der Veranstaltung
Konzipiert und begleitet wird der Streifzug von SRF-Religionsexperte Norbert Bischofberger.