Kaum ein Beitrag über Hartmut Rosa kommt aus ohne den Running Gag, dass wenige so luzide und packend über unser hohes Lebenstempo zu sprechen vermögen – und dass ebenso wenige ein so rasantes Gesprächstempo an den Tag legen, wie er es tut.
Dass einem bald der Kopf raucht, wenn man dem in Jena lehrenden Professor lauscht, hat aber nicht nur mit der Windeseile zu tun, mit der er seine Gedanken artikuliert, sondern mindestens ebenso sehr damit, dass seine Kritik an unserer modernen Gesellschaft so tiefgreifend ausfällt und manche Denkgewohnheit in Schieflage gerät.
Moderne Gesellschaften müssten, um ihren Wohlstand zu bewahren, unablässig wachsen, beschleunigen und innovieren. «Dynamische Stabilisierung» heisst das bei Rosa. Der Preis für das hohe Lebenstempo, dem sich viele unterwerfen, sind nicht selten manifeste Entfremdungsgefühle: Statt den Kinofilm zu geniessen, fürchten sie, etwas Besseres zu verpassen oder checken in der Pause ihre Mails und können nicht mehr abschalten von der Arbeit.
Rosa beschreibt unsere Gesellschaft als zunehmend ratlos – als vereinzelte Individuen zurückgelassen in einer Welt, in der wir zwar als Arbeitskraft und Konsument gefragt sind, uns aber dennoch allein fühlen, weil die Welt nicht mehr zu uns spricht und uns die Resonanz mit dieser Welt abhandengekommen ist.
Unter einer resonanten Weltbeziehung versteht Hartmut Rosa eine Beziehung zu Mitmenschen und Umwelt, die Veränderung und Entwicklung zulässt, und in der das Unverfügbare seinen Platz behält. Während man Waren fertigen, bestellen oder retournieren kann, sind Freundschaft, Entspannung oder Zufriedenheit keine Güter, die sich herstellen lassen. Vielmehr werden sie uns geschenkt, wenn wir offenbleiben – und immer besteht das Risiko, dass sie ausbleiben. Dankbarkeit und Demut sind für Rosa deshalb unerlässliche Tugenden.
Dass «Resonanz» eine so beachtliche Begriffskarriere hingelegt hat, weist darauf hin, dass Rosas Analysen den Zeitgeist treffen. Wenn Menschen ausbrennen oder die Sinnfrage stellen, dann nicht zuletzt deshalb, weil sie zwar alles haben und sich dennoch leer fühlen. Ein Ausweg bietet allein, der Welt nicht mehr länger im Aggressionsmodus zu begegnen, dem «Ich war dabei, ich hab’s gesehen, ich hab’s erledigt», sondern in einem Modus der Offenheit für das Unverfügbare. Für das Individuum allerdings eine fast unlösbare Aufgabe in unserer hochtourigen Gesellschaft.
Das Programm
- Individuelle An- und Rückreise
- 16 Uhr: Begrüssung und Vorgespräch mit Barbara Bleisch in der Dampfzentrale
- 18 Uhr: Drei-Gang-Menu im Restaurant Dampfzentrale
- 20 Uhr: Bühnengespräch «Barbara Bleisch trifft Hartmut Rosa»
- 21.30 Uhr: Ende der Veranstaltung