«Die Frisur sieht bei Dir heute wieder mal umwerfend aus.» Glauben wir ja gerne. «Ich war nur etwas länger im Büro gestern Abend, Schatz.» Na ja. Das dritte Mal diese Woche?
Wie mächtig wären wir, könnten wir die kleinen Flunkereien im Alltag, aber auch die pechschwarzen Lügen um uns über den Tisch zu ziehen, enttarnen?
«Input» hat bei der Befragungsspezialistin der Kantonspolizei Zürich und bei einem Schweizer Lügenforscher nach Strategien gesucht – und gefunden. Ausserdem verrät ein Zauberweltmeister, wie man einer Täuschung auf die Spur kommen kann.
Vier Anzeichen, die im Gespräch die Alarmglocken bei euch sollten schrillen lassen.
Geschichte rückwärts erzählen lassen
Leutnant Franziska Schubiger arbeitet seit einem Vierteljahrhundert bei der Kantonspolizei Zürich. Das Befragungshandwerk hat sie von der Pike auf gelernt. In tausenden Einvernahmen hat sie nach der Wahrheit gesucht – und Techniken entwickelt, um Lügen zu erkennen. Heute leitet Franziska Schubiger die Ermittlungsabteilung Allgemeine Kriminalität bei der Zürcher Kantonspolizei.
Ihre wichtigste Erkenntnis, um Unwahrheit zu erkennen: «Lügen ist anstrengend. Wenn man über Wochen an einem Fall dran bleibt, ist die Chance sehr hoch, dass ein Lügenkonstrukt in sich zusammenfällt.» Ihr Tipp um einen Lügner zu entlarven, hängt denn auch damit zusammen.
Lassen Sie die Person eine Geschichte chronologisch rückwärts erzählen. Das ist beinahe unmöglich, wenn die Person es nicht wirklich erlebt hat.
Es ist für unser Hirn anstrengend genug, die Lüge der zeitlichen Reihe nach aufzubauen. Muss jemand aber im zeitlichen Ablauf umherspringen, überfordert das die meisten Lügner – und die Geschichte fliegt auf.
Gestik und Stimmvariation nimmt ab
Der zweite Ratschlag kommt von Lügenforscher Martin Krummenacher. Er ist Psychologe und hat seine Doktorarbeit zu diesem Thema verfasst. Dabei hat er echte Tonaufnahmen aus Gesprächen ausgewertet.
Ähnlich wie bei Franziska Schubiger baut auch sein Tipp darauf auf, dass Lügen viel Kapazität eines Menschen beansprucht: «Wenn ich etwas sage, dass nicht stimmt, kostet mich das viel mehr Energie.»
Deshalb gehe beim Lügen die Gestik häufig vergessen. «Ein Lügner wirkt wie gegen innen gerichtet. Die Aufmerksamkeit des Lügner liegt beim Inhalt des Gesagten, dabei achtet er nicht mehr auf die Gestik.» Aus demselben Grund würden, so Krummenacher, auch die Variation in der Stimme abnehmen; also höher oder tiefer sprechen oder die Sprechgeschwindigkeit.
Wenn jemand monoton und in sich gekehrt spricht, deutet das eher auf eine Lüge hin.
Unnötiges Ausschmücken
Der dritte Hinweis kommt von einem, der seinen Lebensunterhalt mit sprachlicher Manipulation verdient; der Zauberweltmeister Pat Perry. In seinem Theater spielt er mit der Wahrheit – und führt sein Publikum hinters Licht. Er weiss also, wie man jemanden einen Bären aufbindet. Durch das gezielte Lenken der Aufmerksamkeit: «Ich will, dass das Publikum genau dahin schaut, wo ich es brauche. Ich setze links einen Reiz, damit sich rechts ein schwarzer Fleck öffnet.»
Dort kann Perry dann ungestört zaubern – oder eben täuschen. Solche Reize platziert er mit seiner Sprache. Ein guter Lügner setzt Worte also ganz gezielt ein. Umgekehrt kann man damit einen schlechten Lügner enttarnen, so Perry.
Wenn jemand lügt, ist die Schilderung häufig viel detaillierter als bei der Wahrheit.
Ein schlechter Zauberer betont beispielsweise bei einem Kartentrick, dass es «alles verschiedene Karten» seien, die er in der Hand hält. «Warum sollte das jemand sagen? Es ist doch selbstverständlich, dass bei einem Kartenset alle Karten unterschiedlich sind.» Wenn jemand lange und breit ausholt, sollte man also misstrauisch werden.
Wiederholungen
«Wiederholen Sie sich nicht!» – lautet ein Aufsatz des Lügenforschers Martin Krummenacher. Umgekehrt heisst das: Wer sich wiederholt, macht sich einer Lüge verdächtig. Womit wir beim letzten Merkmal sind, die einer Lüge auf die Spur führt.
«Wir konnten in der Studie zeigen, dass Menschen, die lügen, markant häufiger einzelne Wörter oder Passagen wiederholen.» Normalerweise wiederholen wir in einem Gespräch Wörter rund ein Prozent. Im Moment der Lüge erhöht sich dieser Wert auf vier Prozent.
Die Schwierigkeit: Auch wenn die Häufigkeit viermal höher ist beim Lügner, fällt es beim Zuhören im Moment nicht sonderlich auf. Krummenacher hat erst in stundenlangen Auswertungen und im Wissen, wer gelogen hat, diesen Zusammenhang herstellen können.
Dennoch dürfte es sich lohnen, genauer auf Wortwiederholungen zu achten, wenn man den Verdacht hat, angelogen zu werden. Auch geht der Lügner wohl aufgrund der Anstrengung ins Netz: Hat man sich einmal ein Lüge zurecht gelegt, bleibt man dabei – denn es ist zu anstrengend für das Hirn, dabei auch noch zu variieren.