70'000 Fundstücke. Diese Masse gelangt im Schnitt jeden Monat in die grösste Schweizer Sammelstelle für Verlorenes. Der Fundsachenverkauf in Zürich erhält alles, was an den Flughäfen Zürich und Genf sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln abhanden kam – und nach ein bis drei Monaten nicht abgeholt wurde.
Hermes, der tote Hermelin, wartet seit Jahren auf seine alten Besitzer. Erfolglos. Darum haben ihn nun Mona Vetsch und Produzentin Rika Brune adoptiert. Jetzt erlebt er gerade die Zeit seines Lebens. Folgt ihm auf Instagram.
Die hübsch gemusterte Schachtel zum Beispiel verrät nichts über das Erbstück, das sie hütet. Auf der Innenseite des Deckels steht, worum es sich handelt: «Omas Gallensteine 1966». Die Schachtel blieb ebenso im Zug liegen wie die Häftlingsjacke eines amerikanischen Gefängnisses. In letztem Fall ist es gut nachvollziehbar, dass der Besitzer auf das Kleidungsstück verzichtete. Aber wie kommt es, dass nach einer Piaget-Uhr im Wert von 30'700 Franken nicht gesucht wird? Und wenn schon Geld keine Rolle spielt: Wie gelangen Prothesen in den Fundsachenverkauf?
Der Laden-Inhaber forscht nach
Viele der Gegenstände behalten ihre Geschichten für sich. Der verlorenen Urne aber musste der Inhaber des Zürcher Fundsachen-Ladens, Roland Widmer, nachgehen. Vor allem, weil sie Asche enthielt.
Mithilfe des eingravierten Namens stiess er auf die Todesanzeige: Die Asche habe man auf Wunsch des Verstorbenen im Mittelmeer verstreut. Verdutzt rief Widmer den Sohn des Toten an. Dieser bedankte sich herzlich, die übrig gebliebene Asche benötige er jedoch nicht. So steht die Urne heute im Einzelbüro von Widmers Frau Isolde. «Damit sie beim Buchhalten nicht so einsam ist», sagt Widmer.
Täglich 25 Brillen
Überschwemmt wird der Laden am häufigsten mit Brillen, täglich kommen rund 25 Modelle hinzu. Bei der SBB und am Flughafen bilden elektronische Geräte die Spitze. Was am Flughafen auf die Sicherheitskontrolle zurückzuführen ist, wo Passagiere die Geräte auspacken, bleibt im öffentlichen Verkehr ein Rätsel. 15'450 verlorene Handys sind letztes Jahr in die SBB-Fundzentrale gelangt. Und das, obwohl die meisten unterwegs auf ihr Smartphone starren.
Die Prinzessin und die SBB
Bei der SBB holen immer weniger Passagiere verlorene Gegenstände ab. Aber natürlich gibt es auch Fälle, in denen etwas schmerzlich vermisst wird – auch von Adligen. Die Prinzessin Lalla Salma von Marokko liess dringendst nach ihrer im Zug verlorenen Designertasche suchen. Es befänden sich lebenswichtige Medikamente darin. Ausnahmsweise öffnete die Fundzentrale der Prinzessin plus Entourage die Tore, ein Bodyguard holte die vermisste Handtasche ab. Tatsächlich handelte es sich bei den Tabletten darin lediglich um Aspirin.
30 herrenlose Koffer pro Tag
Verlorenes bringt Erwachsene zum Toben und Kinder zum Weinen. Im Fundbüro des Zürcher Flughafens gehört beides zum Berufsalltag. Genauso wie der Blick in herrenlose Gepäckstücke. Bis zu 30 Stück treffen täglich ein, Handschuhe sind beim Öffnen unerlässlich: Zur Adventszeit lagen zwei gekochte Truthähne in einem der Koffer. Verderbliche Ware wie diese muss direkt entsorgt werden – auch wenn sie inmitten von schmutziger Unterwäsche liegt.
Der Grossteil der Flughafen-Fundstücke wird nicht abgeholt und gelangt in den Fundsachenverkauf. «Das spiegelt unsere wohlhabende Gesellschaft wider», findet Roland Widmer vom Zürcher Fundsachen-Laden.
Mona Vetsch präsentiert die aufregendsten Funde
Beim Wühlen in den Sammelstellen der SBB, des Zürcher Flughafens und des Fundsachenverkaufs haben wir die aufregendsten Entdeckungen für dich herausgefischt. Mona Vetsch präsentiert sie dir diese Woche von Montag bis Donnerstag jeweils zwischen 12 und 15 Uhr auf Radio SRF 3. Du wirst staunen. Versprochen.