Thad Starner, Professor am Georgia Tech College, fordert zu einem Experiment auf. Er will herausfinden, wie lange es dauert, bis die Anwesenden mit ihrem Handy ein Foto von ihm gemacht haben. Der erste drückt nach 23 Sekunden ab, der letzte nach 45 Sekunden.
Das dauert dem Professor viel zu lange. «Das Handy steckt meist in einer Tasche und ist zu weit weg vom Besitzer. Die Zeitspanne zwischen Entschluss und abgeschlossener Handlung ist zu lang», sagt er. Der Forscher ist überzeugt, dass das der Grund ist, warum wir das Handy oft als störend empfinden.
Näher beim Körper stört weniger
Die Lösung bringen für Starner sogenannte Wearable Devices, digitale Geräte, die wir am Körper tragen und die ständig eingeschaltet sind. Das vereinfache die Bedienung, ist Starner überzeugt, und er liefert den Beweis gleich selbst: Er hat bloss zwei Sekunden gebraucht, um ein Foto zu schiessen. Der Grund: Er fotografiert nicht mit dem Handy, sondern mit einer Google-Brille. Dieses tragbare Gerät verfügt über Monitor und Kamera und ist ständig mit dem Handy verbunden.
Nicht nur Fotos kann man schneller schiessen; auch eingehende Nachrichten werden unmittelbar auf den Brillengläsern angezeigt. Das lästige Suchen nach dem Handy, das Entsperren des Bildschirms und das Starten der App entfällt – alles Gründe, warum uns Handys im Alltag nerven. Die Google-Brille bietet dagegen eine komfortablere Bedienung, meint Starner.
Sein Enthusiasmus erstaunt wenig, denn neben seinem Job als Professor ist er auch technischer Verantwortlicher für die Google-Brille. Während die Hightech-Brille zurzeit noch getestet wird, sind mit den Smartwatches zahlreicher Hersteller die ersten kommerziellen Wearabel Devices auf dem Markt: Geräte, die ebenfalls als Verlängerung des Smartphones dienen können.
Mehr als Uhren und Brillen
Während die intelligenten Uhren und Brillen schon (fast) fertige Produkte sind, stellen sich die Forscher einer neuen Herausforderung. «Aktivitäten-Erkennung ist ein wichtiges Gebiet» meint Kristof van Laerhoven, Professor an der TU Darmstadt. Mit Hilfe von Messgeräten am Körper soll ein tragbares Gerät herausfinden, was wir gerade machen. Mit Beschleunigungssensoren an der Hand lässt sich jetzt schon erkennen, ob jemand gerade am Rauchen oder am Essen ist. Sensoren in Zahnimplantaten melden, was jemand isst.
Ein weiteres Beispiel: Forscher an der ETH arbeiten an einem tragbaren Gerät, das alleine aufgrund der Bewegung eines Menschen einen Plan der Räume anfertigen kann, in denen die Person sich aufhält. Das Gerät wurde mit Blick auf Parkinson-Patienten entwickelt und soll erkennen, wenn Betroffene in die krankheitstypische Starre verfällt und Hilfe brauchen.
Was bringt uns das?
Die Forscher sind bescheiden geworden und lassen sich nicht gerne auf Spekulationen ein, welche Anwendungen sich in der Zukunft wohl durchsetzen werden. Sie versuchen zurzeit, die Technik weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Zwar werden am Anfang eines Projektes oft konkrete Anwendungen formuliert, sagt von Laerhoven, doch diese haben nicht oberste Priorität.
Dazu kommt: Der Sprung vom Labor in die Wirklichkeit ist anspruchsvoll und kompliziert. Für Entwickler ist es sehr schwierig abzuschätzen, wie Menschen im Alltag auf ein neues Gerät reagieren. Eine Möglichkeit, die Unsicherheit in den Griff zu bekommen, bietet das sogenannte Living Lab, das lebende Laboratorium. Gemeint ist eine Testphase mit möglichst vielen Teilnehmern, die ein neues Produkt im Alltag ausprobieren.
In diesem Stadium befindet sich zur Zeit die Google-Brille, wie man am Symposium unschwer feststellen konnte: Zahlreiche Doktorandinnen und Forscher aus Amerika trugen das derzur wohl begehrteste Gadget wie selbstverständlich.
Die Technologie dahinter
«Es gibt langfristig ein paar Trends in der Technik-Entwicklung, die etwas Besonderes auslösen, wenn sie aufeinandertreffen» sagt Friedemann Mattern, Professor für Informatik an der ETH in Zürich. Für Wearable Computing sind dies: Rechen-Chips, die kleiner, leistungsfähiger und billiger werden; die Anbindung dieser Chips ans Internet über Funk und eine Vielzahl an kleinen Sensoren – vom Thermometer bis zum Kompass. «Computer für sich genommen sind eigentlich ziemlich nutzlose Geräte, weil man sie mit Informationen füttern muss», sagt Mattern.
Nun können Sensoren die Information eingeben und dies erst noch viel schneller als ein Mensch. Wearable Computing-Experte Van Laerhoven aus Darmstadt ist überzeugt, dass die Rechenleistung weiterhin schnell wachsen wird – und in Zukunft Berechnungen ermöglicht, die heute noch nicht denkbar sind: Aktivitäten-Erkennung aus Video- oder Audio-Daten zum Beispiel.
So können wir uns schon bald auf ein Smartphone freuen, das berechnen kann, wann wir essen und uns dann dabei in Ruhe lässt.