Am Montag hat Apple in San Francisco vor geladenen Journalisten weitere Details zur Apple Watch preisgegeben: Die Smartwatch wird zwischen 350 und 1100 Dollar kosten, abhängig von Material und Grösse (siehe Kasten). Sie kommt am 24. April in die Läden, allerdings erst in neun Ländern (USA, Kanada, China, Hong Kong, Japan, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Australien). Für die Schweiz sind weiterhin weder Termin noch Preise bekannt.
Ausserdem hat sich Apple nun zur Batterie geäussert. Bei alltäglicher Nutzung laufe die Uhr 18 Stunden. Das bestätigt, was bereits vermutet wurde: Die Uhr muss jeden Abend aufgeladen werden.
Abgesehen von diesen Eckdaten kam nicht viel zu dem dazu, das Apple schon bei der ersten Demonstration im September letzten Jahres gezeigt hat.
Bezahlen, Hoteltüren öffnen, Fitness
Tim Cook konzentrierte sich zunächst auf die grundlegenden Funktionen der Smartwatch: individuell anpassbare Zeit-Anzeige; verschiedene neuartige Kommunikationsmöglichkeiten wie Freunde anstupsen oder den eigenen Herzschlag übermitteln; und schliesslich Fitness, also Bewegung und Puls messen.
Dann führte Kevin Lynch (Ex-Adobe, nun bei Apple für die Smartwatch verantwortlich) vor, welche Möglichkeiten die Uhr dank verschiedener Apps im Verlaufe eines Tages bietet.
So kann sie Facebook-Benachrichtigungen oder Sportresultate anzeigen, neben den üblichen Kurznachrichten oder E-Mails. Zudem hat sie Bezahl- und Identifikations-Funktionen: bezahlen, indem man das Handgelenk in die Nähe eines Bezahl-Terminals hält; oder ein Hotelzimmer buchen und dann direkt ohne Umweg über die Rezeption zum Zimmer spazieren und dieses mit der Uhr öffnen.
Die Apple Watch lässt sich mit wenigen kurzen Gesten bedienen, durch Tippen oder Wischen. Sie bestätigt Aktionen mit klaren Tönen oder einem leichten, im Handgelenk spürbaren Pochen. Es steht bereits eine beeindruckende Fülle von Apps zur Verfügung, einige davon allerdings noch ohne direkten Nutzen für Schweizer Kunden – bezahlen oder Hotel-Türen öffnen wird hierzulande noch nicht so bald funktionieren.
Nicht ohne iPhone
Verwaltet werden diese Apps auf dem iPhone, in einer eigenen App. Dort sucht und installiert man Apps auf der Uhr oder stellt die verschiedenen Benachrichtigungen ein.
Das unterstreicht, dass die Apple Watch ausschliesslich zur Verwendung mit einem iPhone vorgesehen ist. Sie kommuniziert über Bluetooth oder WLAN – das Smartphone muss also nicht immer in unmittelbarer Nähe sein, sofern man sich beispielsweise zu Hause im gleichen WLAN befindet. Doch Sportler, die hofften, die Uhr zumindest zeitweise auch ohne iPhone verwenden zu können, werden davon wohl eher enttäuscht sein.
Die Apple Watch geht in ihrer Interpretation des Konzeptes «Smartwatch» also recht weit: Das ist nicht einfach eine Uhr mit Fitnessfunktionen. Sondern eine Erweiterung des Smartphones, des Computers in der Tasche – mit einer zusätzlichen Anzeige, mit Sensoren aller Art und mit neuen Interaktionsmöglichkeiten.
Die Alternativen im Android-Lager
Viele der grossen Elektronik-Konzerne wie Samsung, LG oder Sony bieten ihrerseits schon seit zwei Jahren Smartwatches an. Google arbeitet schon seit längerem an Software für tragbare Geräte. Zu dieser Kategorie gehören neben futuristischen Produkten wie der Google-Brille vor allem auch die schlauen Uhren.
Im Juni des vergangenen Jahres hatte Google unter der Bezeichnung «Android Wear» eine Version des Smartphone-Betriebssystem «Android» lanciert, das speziell auf die Anforderungen dieser Geräte-Kategorie zugeschnitten ist. Damit ist es zum Beispiel möglich, eine Android-Uhr über Spracheingabe zu steuern oder aus dem App-Store Apps für die Uhr herunterzuladen. Mit «Google Now» führt man zudem ständig einen persönlichen Assistenten am Handgelenk mit sich. Ähnlich wie das Navi im Auto gibt dieser Anweisungen, wie man ein Ziel erreicht und informiert zudem, wann der nächste Zug fährt. Im Hintergrund arbeitet «Google Now» mit dem Kartendienst des Internet-Konzerns zusammen.
Samsung, LG, Motorola, HTC und ASUS sind mit Google eine Kooperation eingegangen: Die Hardware-Konzerne entwickeln die Uhren, Google liefert mit «Android Wear» die Software dazu. Mitte letzten Jahres kamen die ersten dieser Smartwatches auf den Markt: Die Gear Live von Samsung und die G Watch von LG, beide mit Spracheingabe. Im September folgte Motorola mit der Moto 360, der ersten Smartwatch mit einem runden Zifferblatt. Sony brachte kürzlich mit der Smartwatch 3 eine Uhr mit eigenem GPS-Chip heraus. Vorteil: Beim Joggen kann man das Smartphone getrost zu Hause lassen und muss dennoch nicht auf die Aufzeichnung von Fitness-Daten verzichten.
Pebble: Pionier und Aussenseiter
Ganz eigene Wege geht Pebble Technology. Seit Dezember 2012 hat die Firma aus Paolo Alto die Pebble-Smartwatch auf dem Markt, die unter einem eigenen Betriebssystem läuft. Die Uhr unterscheidet sich zudem durch eine spezielle Anzeige, ein sogenanntes E-Ink-Display, das man aus E-Readern kennt. Der Vorteil: Die Anzeige ist auch an der prallen Sonne sehr gut lesbar und der Stromverbrauch ist viel geringer. Dafür ist die Anzeige deutlich träger, die Farbdarstellung drastisch eingeschränkt.
Die Schweizer Uhren-Branche reagiert
Als Apple im September vergangenen Jahres die eigene Smartwatch ankündigte, reagierte Swatch-Chef Nick Hayek gelassen auf die drohende Konkurrenz. Er liess durchblicken, dass seine Swatch Group über genügend Know-How verfüge, um selber eine intelligente Uhr herauszubringen.
Mittlerweile hat Swatch mit der Touch Zero One eine Uhr für Beach-Voleyball-Spieler herausgegeben – noch keine intelligente Uhr, eher ein Fitnessarmband mit Zeitanzeige. Die Lancierung der echten Smart-Swatch dürfte in den nächsten Tagen über die Bühne gehen. Es soll sich dabei um eine Uhr handeln, die mit einem Smartphone (iPhone oder Android) kommunizieren kann und mit der man bei den beiden Grossverteilern bezahlen kann.
Mechanik und Sensoren
Einen anderen Weg gehen die Schweizer Hersteller von Uhren im gehobenen Preissegment. Die klassischen Chronographen zeichnen sich vor allem durch ein mechanisches Werk und eine analoge Anzeige in ansprechendem Design aus. Darauf möchten die Hersteller nicht verzichten. Sie möchten die klassische Uhr durch Sensoren und Elektronik ergänzen, die mit dem Smartphone kommunizieren kann.
Tag Heuer arbeitet zur Zeit noch an einer Lösung, wie man eine Smartwatch und eine traditionelle Uhr unter einen Hut bringt – oder eben ein klassisches Zifferblatt. CEO Jean-Claude Biver meinte in einem Interview mit Bloomberg Business, dass die Schweizer Industrie dabei auf Know-How aus dem Silicon-Valley angewiesen sei – eine neue Situation.
Schon einen Schritt weiter sind Withings und Frederique Constant mit der Activité und der Horlogical – zwei Uhren im klassischen Look, die mit Sensoren und Elektronik die Bewegung vermessen. Das Smartphone wertet die Daten aus, ein mechanischer Zeiger stellt diese auf dem konventionellen Zifferblatt dar. SMS oder E-Mail lesen kann man auf dieser Uhr natürlich nicht, Fitnessdaten oder das Schlafverhalten aufzeichnen ist aber möglich. Eine ähnliche Strategie verfolgt Mondaine mit der Helvetica No 1, die nächste Woche an der Uhrenmesse «Baselworld» vorgestellt werden soll. Am alten festhalten und die Tür einen Spalt breit für Neues öffnen – ob dieser Kompromiss der Schweizer Uhrenhersteller aufgehen wird, bleibt offen.
Zwei Denkweisen: Uhr mit Zusatzfunktionen oder Smartphone-Erweiterung
Grundsätzlich zeichnen sich also zwei sehr unterschiedliche Denkweisen ab. Die traditionelle, in der Schweizer Uhrenindustrie noch am weitesten verbreitete: Eine Smartwatch ist in erster Linie eine Uhr, die einfach ein paar wenige, klar umrissene Zusatzfunktionen hat. Neben der Stoppuhr also noch ein Schrittzähler. Doch wichtiger bleibt das Material, die Mechanik, das Aussehen – dass also die Uhr am Handgelenk Status transportiert. Das ist das Kerngeschäft der Schweizer Uhrenindustrie – sollte sich diese Sichtweise auch bei der Kundschaft durchsetzen, haben die hiesigen Hersteller gute Karten.
Apple und andere Smartwatch-Hersteller sehen das anders: Eine Smartwatch ist ein Gerät, das nicht mehr viel mit einer Uhr zu tun hat. Es erweitert das Smartphone, den Computer in der Tasche. Mit Sensoren, mit einer weiteren Anzeige, mit neuen Eingabemöglichkeiten. Entscheidend ist die Software, denn sie wird Nutzungen ermöglichen, die wir uns heute noch nicht ausmalen können. Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, könnte das Uhrengeschäft kräftig durcheinander gewirbelt werden.