Ich habe ein Problem: Ich esse gerne gutes Essen. Einkaufen, Rezepte suchen und stundenlang am Herd stehen liegt mir aber weniger. Und gut kochen kann ich erst recht nicht. Was tun? Jeden Abend im Restaurant speisen lässt mein Kontostand nicht zu. Und jeden Abend Fastfood oder Aufback-Pizzas im mich reinstopfen täte wohl der Figur nicht gut.
Lebensmittel-Dienste wie Hello Fresh versprechen Hilfe für mich und alle, die im selben Dilemma stecken. Per Internet kann ich dort eine sogenannte Kochbox bestellen: Eine Schachtel gefüllt mit frischen Zutaten für die mitgelieferten Rezepte.
Ein selbst gekochtes Menü für 12 Franken
Bei Hello Fresh kostet so eine Box mit 3 Mahlzeiten für 2 Personen im Abonnement rund 100 Franken – also etwas mehr als 16 Franken pro Person und Menü Ich kann zwischen einer Kochbox für schnelle Rezepte (20 Minuten) wählen oder einer mit ausgefalleneren Menüs, für die ich länger am Herd stehe. Für Familien gibt es eine Schachtel mit 3 Mahlzeiten für 4-5 Personen zum Preis von 130 Franken.
Hello Fresh ist nicht der einzige Schweizer Anbieter dieser Art (siehe Kasten unten). Der Bio-Online-Shop Mahler & Co zum Beispiel verschickt im Abonnement eine vegetarische Box mit drei Menüs zum selber kochen. Auch hier werden die Zutaten genau auf die jeweiligen Rezepte abgemessen nach Hause geschickt. Für 2-3 Personen kostet das 72 Franken (12 Franken pro Person und Menü), für 4-5 Personen sind es 119 Franken.
Wir haben es ausprobiert
Mein Kollege Peter Buchmann und ich haben je ein Menü von Hello Fresh und eines von Menü Bio Box nachgekocht – ich Poulet-Satay-Spiesse, Peter eine vegetarische Pasta mit selbstgemachter Spinat-Rahm-Sauce. Dank dem mitgelieferten Rezept, in dem jeder Schritt des Kochens genau beschrieben ist, gelang mir ein durchaus leckeres Gericht.
Allerdings fielen die zwei Portionen doch eher klein aus. Und mit fast einer Stunde war die Zeit am Herd deutlich länger als die versprochenen 25 Minuten – was wohl auch daran lag, dass ich wirklich kein guter und noch weniger ein flinker Koch bin.
Bei den vegetarischen Spaghetti von Peter gab es keine Probleme: Alle Zutaten kamen sehr sorgfältig verpackt und in gutem Zustand an. Das Rezept war verständlich und das Menü schmeckt.
Der Anbieter Menü Bio Box denkt an alles: Selbst kleinste Mengen Butter oder eine ganze Tube Senf waren dabei, alles in Bio-Qualität.
Von Schweden aus in die Welt
Das Geschäftsmodell von Hello Fresh und Co. kommt aus Schweden. Middagsfrid (zu Deutsch: «Abendessen-Frieden») war dort 2007 der erste Anbieter. Heute soll die Firma schon 8 Prozent der schwedischen Haushalte mit Rezepten und den dazugehörigen Zutaten versorgen. Insgesamt liefern in Schweden heute rund 30 Anbieter monatlich über eine halbe Million solcher Mahlzeiten aus. An Haushalte, in denen es an Zeit und Musse fehlt, nach der Arbeit frische Zutaten einzukaufen und nach Rezepten zu suchen.
Vom hohen Norden aus ist das Konzept unterdessen in die ganze (westliche) Welt gezogen. In den USA etwa liefert Blue Apron seine Menüs mit einem Preis von weniger als 9 Dollar so billig aus, dass ein Abonnement den Kunden fast billiger zu stehen kommt, als wenn er selbst einkaufen ginge.
Auch Hello Fresh ist mittlerweile in den USA aktiv, ebenso in Australien, Grossbritannien und weiteren europäischen Ländern. Vor einem geplanten Börsengang wurde der Dienst im letzten Herbst mit astronomischen 2,6 Milliarden Dollar bewertet. Ein Zeichen dafür, dass im Geschäft mit Zutaten-Lieferungen noch viel Potenzial gesehen wird. Schliesslich soll sich das jährliche Volumen des weltweiten Lebensmittelmarkts auf 2600 Milliarden Dollar belaufen.
Hoffnungen in den Online-Handel
Während ein harter Preiskampf den Handel mit Lebensmitteln wenig lukrativ hat werden lassen, soll zumindest im Online-Bereich noch Wachstum drinliegen. Was diesen Bereich angeht, besetzt die Schweiz in Europa jetzt schon den zweiten Rang. Bis 2020 soll sich der Anteil des Online-Handels hierzulande sogar noch verdoppeln.
Dieses Wachstum geschieht allerdings auf kleinem Niveau: Heute werden bei uns erst 1,7 Prozent aller Lebensmittel übers Internet verkauft. Lebensmittel-Lieferungen scheinen also keine Goldgrube, die Lieferung von Mahlzeiten zum selber kochen genauso wenig. Das zeigt ein Artikel der Zeitschrift «Annabelle» aus dem Jahr 2013. Von vier damals vorgestellten Online-Diensten gibt es heute nur noch einen. Und der hat von der Zutaten-Lieferung auf das Verschicken vorgekochter Menüs umgesattelt.
Die Margen sind klein, der Aufwand ist gross
Karin Frick untersucht als Forschungsleiterin am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) Konsum-Trends, auch im Bereich des Essens. Für sie gibt es drei wichtige Gründe, weshalb es solche Angebote in der Schweiz schwer haben. Zum einen, weil das Konsumpotenzial bei Nahrungsmitteln im Vergleich zu anderen Märkten begrenzt ist. Im Kleiderschrank hat es Platz für viele Pullover. Der Magen dagegen ist irgendwann voll.
Die Essgewohnheiten der Schweizer Konsumenten ändern sich nur langsam.
Im Gegensatz etwa zur Modeindustrie sind auch die Margen bei den Nahrungsmitteln viel kleiner. Das gilt erst recht für den aufwändigen Lebensmittel-Versand. Ein Poulet kann man nicht wie eine Hose einfach in ein Paket stecken und per B-Post verschicken; es muss gut gekühlt und möglichst schnell beim Besteller ankommen.
Und schliesslich liessen sich auch die Gewohnheiten der Schweizer Konsumenten in Sachen Essen nur schwer ändern, erklärt Frick. Nicht zuletzt, weil hierzulande seit langem ein dichtes Netz von Läden existiert, die frische Lebensmittel verkaufen. Für Zutaten-Lieferanten, die mit ihrem Geschäft einen grossen finanziellen Anfangs-Aufwand haben, sei es deshalb schwer, schnell genug eine zum Überleben genügend grosse Kundenbasis zu finden.
Versand-Riese Amazon will bald auch Essen liefern
Dennoch kommen immer neue Mitbewerber auf den Markt. Seit Anfang Mai etwa bietet auch der Schweizer Dienst Juts Foodboxen zum Bestellen übers Internet an, die wöchentlich geliefert werden. Das Angebot gleicht vom Inhalt und Preis her dem der Konkurrenz: Eine Box mit 3 Mahlzeiten für 2 Personen kostet in der vegetarischen Variante 74 Franken, mit Fleisch sind es 10 Franken mehr. Pro Menü zahlt man also 12 respektive 14 Franken für ein selbst gekochtes Essen.
Bei einem solchen Angebot bleibt nicht viel Marge, um gegen etablierte Lebensmittelhändler wie Migros und Coop zu bestehen. Und auch nicht gegen finanzstarke neue Mitbewerber im Online-Bereich: Vom Versand-Riesen Amazon heisst es nämlich, er wolle mit Amazon Fresh bald einen eigenen Lebensmittel-Lieferdienst in Europa lancieren. Und bei Amazon ist ohne Zweifel genug Kapital vorhanden, um auch eine längere Durststrecke zu überwinden, bis ein genug grosser Kundenstamm gefunden ist.