Es begann vor einem Jahr mit einer anekdotischen Studie: In seinem Blog-Post «Tenth Grade Tech Trends» beschrieb der 22-jährige Startup-Gründer Josh Miller, welche Apps und Dienste seine 15-jährige Schwester zum Kommunizieren mit ihren Freunden braucht – und welche nicht.
Facebook, so Millers, sei bei Teenagern schon abgeschrieben. Stattdessen dominierten Dienste wie Snapchat oder Instagram. Sein Fazit zu Mark Zuckerbergs sozialem Netzwerk ist deshalb wenig erfreulich: Die Marke Facebook sei womöglich irreparabel beschädigt, schrieb Miller – bevor er sein eigenes Chat-Startup Monate später an Zuckerberg verkaufte und selbst bei Facebook anheuerte.
Erlebt Facebook noch die Volljährigkeit?
Das wirft zwar ein schlechtes Licht auf Millers Glaubwürdigkeit, doch ganz daneben hat er mit seinem Befund nicht gelegen. Auch wer sich auf Schweizer Pausenplätzen umhört, stösst früher oder später auf Stimmen, die von Facebook genug haben und mit Freunden lieber per Diensten wie Whatsapp chatten.
Ein gefundenes Fressen für die Medien, die nur zu gerne Geschichten wie die des Goliaths erzählen, der bald in die Knie geht. Entsprechend laut die Unkerei: Facebook habe sich überlebt und werde nur noch von uncoolen Senioren bevölkert. Und schnell auch die Frage: Wird Facebook überhaupt noch seinen 20. Geburtstag feiern können?
Eher Stagnation denn Abwanderung
Um es mit Mark Twain zu sagen: Die Berichte über den baldigen Tod des sozialen Netzwerks sind stark übertrieben. Dazu genügt ein Blick auf die neusten Zahlen: Im Jahr 2013 konnte Facebook die Zahl seiner Mitglieder noch einmal um 16 Prozent steigern und hat jetzt 1,23 Milliarden Nutzer, die sich mindestens einmal pro Monat in ihr Konto einloggen.
Zwar gibt es tatsächlich einen Rückgang bei jugendlichen Nutzern, wie auch Facebook selbst einräumt. Allerdings nicht in dem alarmierenden Ausmass wie gerne geschrieben. In der Schweiz zum Beispiel sehen die vermuteten Rückgänge bei den 15-19 Jährigen eher nach Stagnation aus denn nach einem vollständigen Abwandern dieser Altersgruppe. Und in Asien oder Süd- und Mittelamerika sind es sogar die jüngeren Benutzer, die für besonders hohe Wachstumsraten sorgen.
Weg als Teen, zurück als Twen?
Auch der Glaube der Werbewirtschaft in Facebook scheint ungebrochen. 2013 nahmen Umsatz und Gewinn einen grossen Sprung nach vorne. Der Umsatz wuchs um 55 Prozent und liegt nun bei fast 8 Milliarden Dollar. Die positiven Zahlen sorgten für ein Allzeithoch der Facebook-Aktie: 2012 für einen Stückpreis von 38 Dollar ausgegeben, tauchte sie kurzzeitig auf 18 Dollar wird nun mit 58 Dollar bewertet.
Wer Facebooks Nachwuchsproblem trotzdem als Vorbote für das baldige Ableben der Plattform sieht, vergisst, dass solche Prognosen auf unsicherem Zahlenmaterial fussen. Zum einen, weil erst 13-jährige sich überhaupt bei Facebook anmelden dürfen und viele Jüngere bei der Anmeldung wohl ein falsches, höheres Alter angeben. Zum anderen, weil es keine Zahlen dazu gibt, wie viele Teenager zwar ihr Konto gelöscht haben – und als Twens später ein neues einrichteten.
Facebook zu kompliziert für simples Plappern
Dass gerade Teenager genug von Facebook haben, muss auch nicht erstaunen: Im Gegensatz zu Erwachsenen, deren Freunde oft weit verstreut in der Welt leben, haben sie mit Klassenzimmer und Pausenplatz schon ein soziales Netzwerk, das sie über die Aktivitäten ihres Freundeskreises auf dem Laufenden hält.
Soll der Austausch auch nach Schulschluss noch weitergehen, geht das einfacher mit simplen Chat- oder Foto-Diensten wie Whatsapp oder Instagram als per Facebook – das allein wegen seiner vielen Einstellungen zur Privatsphäre kompliziert und abschreckend wirken kann.
Schnelles Einloggen dank Facebook
Gut möglich auch, dass die facebook-müden Teenager zwar den Newsfeed links liegen lassen. Damit würden sie nicht mehr zu den monatlich aktiven Benutzern zählen, doch ihr Facebook-Konto behalten. Das soziale Netzwerk ist längst mehr als eine Webseite mit Freundes-Nachrichten: Facebook ist zu einem Stück Infrastruktur in Internet geworden.
Will heissen: Viele Webseiten und Apps lassen ihre Benutzer heute schnell und einfach per Facebook-Login einloggen statt ein eigenes Profil zu verlangen. Ein Angebot, das gerne angenommen wird, weil so nicht mit jedem neuen Dienst auch ein neues Login und Password im Gedächtnis behalten werden muss.
Ein ganzes Ökosystem
Das gilt auch für Dienste wie Instagram oder Snapchat, die wegen ihrer Beliebtheit bei Teenagern oft als Facebooks Totengräber gesehen werden. Selbst die unmittelbare Konkurrenz ist so in bestimmten Bereichen auf die Infrastruktur angewiesen, die Facebook bietet.
Um Facebook herum ist also ein ganzes Ökosystem entstanden – das weit über die oben beschriebenen Log-in-Dienste hinausreicht. Auch Unternehmen und Organisationen setzen auf das soziale Netzwerk und wollen per Facebook-Firmenseiten in direkten Kontakt mit ihren Kunden kommen. Damit unterscheidet sich der Dienst stark von früheren sozialen Netzwerken wie etwa Myspace, dessen Versinken in der Bedeutungslosigkeit manchen als Wegweiser für Facebooks Zukunft dient.
Rasch auf neue Trends reagieren
Allerdings: Auch wenn die Zukunftsaussichten für Facebook rosiger aussehen als damals für Myspace, können sich Mark Zuckerberg und seine Manager nicht einfach zurücklehnen: Facebook muss weiterhin schnell auf neue Trends reagieren. Wird das Netzwerk träge, verliert es Benutzer und wird damit auch für die Werbeindustrie weniger attraktiv.
Aber Facebook hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass es mit Veränderungen umgehen kann. Mit der zunehmenden Verlagerung der Internetnutzung auf mobile Geräte etwa baute und baut auch Facebook sein mobiles Angebot stark aus. Mit dem Resultat, dass heute schon mehr als zwei Drittel der Benutzer per Smartphone oder Tablet zugreifen. Und 2013 hat Facebook denn auch zum ersten Mal mit der Werbung auf mobilen Geräten mehr eingenommen als mit klassischer Desktop Werbung.