Der Lärm der Karts verstummt, die Abgas-Schwaden verziehen sich. Auf der Kartbahn Muntelier herrscht Stille. Aber nicht lange. «Drei, zwei, eins – go!» ruft einer – und dann wähnen wir uns in einem riesigen Wespennest. Es surrt und dröhnt. Von links nach rechts. Hin und her.
Zwei Männer sitzen auf der Tribüne, zwei andere in den Sitzen von zwei geparkten Karts. Alle vier haben Brillen aufgesetzt und halten Fernbedienungen in den Händen, wie wir sie von klassischen Modellflugzeugen kennen. Damit steuern sie ihre kleinen Renn-Quadrokopoter der Kartbahn entlang – in der Luft. Sie sehen ihre Flugobjekte nicht – nur das, was die Quadrokopter durch ihre Kamera aufnehmen und an die Brillen ihrer Piloten funken. Das ist die «First Person View», daher kommt auch der Name der Sportart, «FPV Racing».
Der Begriff «Rennen» ist total legitim, denn die Flugobjekte sind schnell und werden deshalb gerne als «Formel 1-Wagen der Lüfte» bezeichnet. Geschwindigkeiten von mehr als 120 km/h fordern von den Piloten eine ruhige Hand und zugleich aussergewöhnliche Reaktionsfähigkeit, um plötzliche Spitzkehren und Hindernisse zu meistern. Und auch ihrem Magen wird einiges abverlangt: Der Blick durch die Videobrille kann schnell einmal zu Übelkeit führen.
Der Reiz des Bastelns
Sascha Müller ist einer der Piloten. In der Szene so etwas wie ein Veteran mit viel Erfahrung, weil er sich seit Jahren mit Modell-Helikoptern und jetzt auch Renn-Quadrokoptern beschäftigt – und diese selber zusammenbaut. «Für mich ist es absolut faszinierend. Das Bauen, das Fliegen, das Kollegiale, sich Treffen irgendwo, um zu Fliegen», schwärmt er. Das könnte er auch mit seinen Modell-Helikoptern haben, nicht aber die Mischung aus klassischem Modellflugbau – und Game. Das bieten nur die FPV-Rennen.
Ansonsten kann es Veteranen bei dieser Sportart eigentlich noch gar nicht geben, denn sie kommt bei uns gerade erst an: In drei Wochen findet die erste Schweizermeisterschaft statt, in Payerne. Und der erste Schweizer Verein, die «FPV Racer Schweiz», wurde soeben gegründet. Sascha Müller ist selbstverständlich mit dabei und hofft, dass er bei der Schweizermeisterschaft zu den Favoriten gehören wird – und allenfalls an die Weltmeisterschaft nach Hawai fliegen kann, die im Oktober stattfinden wird. Dort geht es dann um 200’000 Dollar Preisgelder.
Professionalisierung für mehr Seriosität
Von solchen Summen kann die kleine FPV-Szene in der Schweiz nur träumen. Sponsoring ist weitgehend unbekannt, die Piloten sind derzeit in erster Linie froh, wenn sie einen Platz finden, um zu trainieren.
Denn das Wort «Drohne» stösst nicht auf offene Ohren, ihr Ruf ist schlecht. Und wird nicht besser, wenn «wieder einmal einer mit einer Spielzeugdrohne über eine Badi fliegt» und so für Schlagzeilen sorgt, ärgert sich Sascha Müller.
«Wir leiden unter dem schlechten Ruf der Drohnen». Zu Unrecht, findet er. «Wir sind auf Geschwindigkeit aus, auf schnelle und rasante Videos und distanzieren uns von Piloten, die mit Drohnen Intimzonen überfliegen und in Flughafen-Sperrzonen eindringen». Er hofft auf eine baldige Professionalisierung der Szene auch in der Schweiz und mehr eindeutige Regeln vom Gesetzgeber, damit nicht noch mehr unerfreuliche Drohnen-Vorfälle die Renn-Quadrokopter mit ins negative Licht ziehen.
Seinen nimmt er nun in die Hand und geht hinunter zum Startplatz: Vier «Teppiche» mit dem Logo des Vereins, ein roter Stier mit Schweizerkreuzen in den Ohren und cooler Sonnenbrille. Sascha Müller legt den Quadrokopter auf einen der Teppiche, zieht seine – ebenfalls coole – Video-Brille an – und ist bereit. Wieder ruft einer «Drei, zwei, eins – go!» – und die Rennflieger erheben sich in die Lüfte.
Der von Sascha Müller schert sofort aus und fällt zehn Meter nebenan auf die Rennstrecke. Aus! «So macht man es eben nicht!» lacht er. Was ist geschehen? Es war eine Fehleinstellung in der Steuerung, der Software seines Quadrokopters. Die Fernbedienung harmoniert nicht mit den Motoren. Schnell behebt er den Mangel und in der nächsten Runde jagt sein Quadrokopter an vorderster Stelle um die runden Rennstrecken der Kartbahn.