Unter der Oberfläche des Internets tummelt sich so einiges, auf das wir mit einer blossen Google-Suche nie stossen: Datenbank-Einträge etwa, Dateien und Grafiken, die wir aus technischen Gründen mit keiner Suchmaschine finden können. Daneben gibt es aber auch Seiten, die gar nicht gefunden werden wollen – weil ihre Betreiber und Benutzer die Anonymität suchen.
Kryptische URLs und keine Suchmaschinen
An diese dunklen Orte gelangt man nicht so einfach wie ins gewöhnliche Internet. Ein herkömmlicher Internetbrowser kann die verschlüsselten Seiten im Darknet nicht anzeigen, dazu ist spezielle Software nötig. Es gibt einige solche Programme, das bekannteste ist wohl der Tor-Browser. Er macht eine geschützte Verbindung ins Tor-Netzwerk möglich; in einen Teil des Darknets also.
Die Software dazu ist schnell installiert, der Browser so einfach wie jeder andere Internet-Browser zu bedienen. Sich im Darknet zu orientieren ist dagegen nicht so leicht. Adressen von Webseiten bestehen aus komplizierten Klüngeln von Buchstaben und Zahlen, die sich nicht einfach auswendig lernen und in die Adresszeile tippen lassen.
Und es existiert keine Suchmaschine wie Google, die das unbekannte Land für einen erschliesst.
Drogen, Falschgeld und Auftragsmörder
Immerhin: Seit Kurzem gibt es mit der Webseite Grams, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen auch eine Suchmaschine für einen Teil des Darknets – allerdings eine spezialisierte: Der Dienst im Google-Look durchsucht das Tor-Netzwerk nach Märkten für Drogen und Waffen.
Wichtiger bleiben Linklisten wie man sie aus den Urzeiten des Internets kennt: Seiten, die wie eine Art «Gelbe Seiten» Webadressen sammeln und thematisch ordnen. «The Hidden Wiki» heisst die bekannteste dieser Linklisten. Sie zählt auf, was das Darknet alles zu bieten hat. Unter dem eher euphemistischen Titel «Finanzdienste» etwa:
Green Notes Counter: Gefälschte Euros und US-Dollars in höchster Qualität. Von einem vertrauenswürdigen und anständigen Verkäufer.
Oder, unter dem Titel «Kommerzielle Angebote»:
Unfriendly Solution: Auftragskiller und Attentate ohne Grenzen.
Daneben Dutzende von Angeboten für gefälschte Pässe, Schwarzmarkt-Elektronik und Drogen aller Art. Viele dieser Links führen ins Nichts, auf tote Einträge. Es sind nicht viele Webseiten, die ihre Dienste im Tor-Netzwerk anbieten: Schätzungen gehen von ungefähr 900 solcher Angebote, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen aus. Und bei einigen, dem Markt für Auftragskiller etwa, kommt schnell der Verdacht auf, dass es sich dabei bloss um einen üblen Scherz handelt.
Aufregend und langsam
Für bestimmte Waren gibt es mittlerweile auch Adressen wie The Silk Road, die auch «gewöhnlichen» Internetbenutzer vom Hörensagen kennen: Eine Drogen-Plattform, die im letzten Jahr zum beliebten Medienthema avancierte und im Herbst vom FBI dichtgemacht wurde – bloss um wenig später in einer Version 2.0 wieder online zu gehen.
Während die professionelle Aufmachung von The Silk Road an ein Ebay für Drogenkäufer erinnert, fühlt man sich bei anderer Seiten im Darknet in die Anfänge des Internets zurückversetzt: Schlichte Grafiken, kaum Ton und Video, viel Text. Wem das Internet von heute zu stromlinienförmig ist, zu harmlos und kommerziell, der wird sich hier wie zu Hause fühlen. Aber wie immer wenn man als Individualtourist in entlegenen Gegenden unterwegs ist, muss man auf Komfort verzichten: Die Seiten im Darknet laden unerträglich langsam verglichen mit den Breitbandgeschwindigkeiten des gewöhnlichen Internets.
Dank dem Darknet Repression umgehen
Dass alles so lange dauert hat mit der Verschlüsselung zu tun, mit der Daten im Tor-Netzwerk hin und her geschickt werden. Diese Verschlüsselung garantiert dem Benutzer Anonymität. Und das – vorausgesetzt, ein Benutzer verrät sich nicht selbst – so gründlich, dass selbst der US-Geheimdienst NSA zum Schluss kam, auch mit grösstem Aufwand liesse sich nur ein sehr kleiner Teil der Tor-Benutzer enttarnen. Eine von Edward Snowden publik gemachte interne Präsentation der NSA trug denn auch den schönen Titel «Tor stinks, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen» – Tor stinkt.
Entstanden ist das Tor-Netzwerk aber keineswegs, um Drogenhändlern und Passfälschern Schutz zu bieten: Die US-Marine und ihr Forschungslabor, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen Naval Research Laboratory waren an abhörsicherer Kommunikation für ihre Truppen interessiert und deshalb bei der Entwicklung von Tor federführend.
Und bis heute wird das Projekt grösstenteils aus Geldern der US-Regierung finanziert, die damit die Redefreiheit von Dissidenten sichern will.
Zulauf dank dem NSA-Skandal
Denn die Anonymität des Darknets entzieht nicht nur illegale Machenschaften dem Zugriff der Justiz, sie bietet auch Schutz für politisch Verfolgte. Regimekritiker des Arabischen Frühlings, Dissidenten in China oder im Iran können dank Tor-Material veröffentlichen, ohne sich persönlich zu exponieren. Und sie können sich in geschützten Chats und Foren untereinander austauschen, ohne Sanktionen fürchten zu müssen.
Und auch in Gegenden, wo es um die freie Meinungsäusserung besser steht, hat das Thema an Bedeutung gewonnen – spätestens nach dem NSA-Skandal, ausgelöst durch die Enthüllungen von Edward Snowden. Seitdem ist das Darknet auch für unbescholtene Bürger interessant geworden, als einer der letzten Orte im Internet, die dem neugierigen Blick der Geheimdienste verborgen bleiben.
Nach dem NSA-Skandal ist die Zahl der täglich aktiven Tor-Benutzer denn auch innert kürzester Zeit von etwas weniger als einer Million auf gut sechs Millionen gestiegen, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. Allerdings: Das Interesse an mehr Privatsphäre im Internet war nicht bei all diesen Leuten besonders nachhaltig. Mittlerweile ist die Zahl der Tor-Benutzer wieder auf etwa zweieinhalb Millionen gesunken – vielleicht weil für die anderen das Surfen im Darknet einfach zu umständlich war.