«Born to Run» gehört ins Genre des «Endless Runner»: Ziel ist, so weit wie möglich nach rechts zu rennen. Beschränkte Zeit haben wir dazu zur Verfügung, und Hindernisse und Abgründe stellen sich uns in den Weg.
Das Gratis-iPhone-Spiel ist Teil einer Kampagne von Antidoping Schweiz. (Auch die entsprechenden Agenturen aus Deutschland und Österreich sind mit an Bord.) Entsprechend bemerkenswert ist es, dass wir in «Born to Run» frei entscheiden können, ob wir nur durch hartes Training besser werden und weiter nach rechts rennen – oder ob wir ab und zu eine der verführerisch herumliegenden Pillen schlucken und uns dopen.
Sammeln wir beispielsweise eine Anabolika-Pille auf und schlucken sie dann, können wir wie Hulk durch lästige Hindernisse rennen. Das Dopingmittel Epo verbessert unsere Ausdauer, Amphetamin macht uns schneller.
Wer hat gedopt, wer ist sauber?
Eine Online-Rangliste zeigt auf, wer am weitesten kam. Die Strecke ist für alle gleich; einmal pro Woche wird sie geändert und die Rangliste zurückgesetzt. Dabei bleibt im Dunkeln, wer gedopt und wer seine Spitzen-Distanz sauber erzielt hat. Je weiter oben sich Läufer platzieren, desto eher verdächtigen wir sie – doch Gewissheit gibt es nicht.
Ausser jemand tappt in eine Doping-Kontrolle. Jeweils nach einem Lauf können wir zufällig einer Kontrolle unterzogen werden. Haben wir eine Pille geschluckt, werden wir hart bestraft: Unser Resultat wird aus der Rangliste gestrichen; wir landen auf einer «Wall of Shame». Und wir werden für ein paar Tage gesperrt, aus dem Spiel ausgeschlossen.
Die Verstärkung durch die Doping-Pillen ist enorm – die Verführung müsste also für viele Spieler gross genug sein. Da die Kontrollen nicht nach jedem Lauf stattfinden, könnten wir nun einfach spekulieren und Doping riskieren. Doch die Pillen hinterlassen immer Spuren: Unsere Spielfigur hat verschiedene Eigenschaften wie Geschwindigkeit, Ausdauer oder Reaktionszeit. Wir können diese Werte durch Training langsam verbessern. Nehmen wir Doping, lassen sie dagegen stark nach – wir schädigen also unsere Gesundheit. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis: Nehmen wir zu viel Doping, können wir bald nur noch gedopt gute Resultate abliefern.
Das Power-Up
Die Kernbotschaften des Spiels – wer dopt, wird gesperrt; wer dopt, schadet seiner Gesundheit – hätte man auch in anderer Form kommunizieren können. Doch das Medium Games eignet sich dafür besonders. Denn Doping ist in Spielen gang und gäbe: Das Power-Up ist eine klassische Spiel-Mechanik. Schon der Schnauzbart-Klempner aus «Super Mario Bros.» schluckt einen Pilz, um grösser und stärker zu werden. In fast jedem Spiel gibt es irgendeine Form von Power-Up oder «Buff», häufig ist die Einnahme eine Voraussetzung für den Erfolg und alles andere als negativ belegt.
Wie verseucht wird «Born to Run»?
Durch die verführerischen Verbesserungen der Doping-Pillen wird also nicht einfach ausgeblendet, dass Doping auch in der Realität verführerisch sein kann. «Born to Run» lässt uns das Dilemma selbst durchspielen. Als Teil einer Präventions-Kampagne streicht es aber natürlich die Nachteile von Doping – Risiko einer Sperre, Gefährdung der Gesundheit – möglichst deutlich heraus.
Entsprechend offen ist, wie viele Spieler die Möglichkeit des Dopings nutzen werden und wie viele sauber bleiben. Ob sich die redlich Trainierenden langfristig in den oberen Bereichen der Rangliste festsetzen werden. Oder ob die «International Roof Running League» (IRRL) bald ähnlich durchseucht sein wird wie damals die Tour de France im Festina-Skandal. Ob es Misstrauen und gegenseitige Betrugsvorwürfe unter den Führenden geben wird. Und ob einmal Gesperrte nach Ablauf ihrer Sperre überhaupt zum Spiel zurückkehren werden.
Braucht mehr Power-Ups
Im Vergleich mit den grossen Vorbildern des Genres wie «Canabalt», «Jetpack Joyride» oder «Temple Run» kann «Born to Run» bezüglich der Mechanik nicht ganz mithalten. Insbesondere auf älteren Geräten braucht das Spiel dringend Performance-Optimierungen. Ich musste auf meinem iPhone 4 zu häufig Ruckeln und verzögerte Eingaben erdulden. Was natürlich zu Frustmomenten führt bei einem Spiel, das blitzschnelle, präzise Reaktion verlangt.
Kampagnen-Spiele werden in der Regel für ein einmaliges Budget erstellt. Das bedeutet, dass sie meist nicht unterhalten werden, weil der Agentur (hier Feinheit, Game-Designer Jeremy Spillmann) das Geld für weitere Entwicklungen fehlt. Im Fall von «Born to Run» sollen jedoch bereits mehrere Anti-Doping-Agenturen anderer Länder Interesse angemeldet haben. Das würde die Möglichkeit eröffnen, die Details von «Born to Run» noch etwas zu pflegen.