Was ist besser? Nostalgie oder reine PS-Potenz? Für Fans des Landwirtschaft-Simulators ist der Fall klar: Mehr ist besser. In der aktuellen Version des Spiels ist eines der Ziele deshalb einen Case-Traktor aus der «Steiger 600er Modell-Reihe» mit Spitzenleistungen von über 600 PS zu fahren und zu besitzen. Ja. Solche Ungetüme gibt es wirklich. Auch auf Schweizer Landwirtschafts-Flächen. Dass sie mit 60km/h den Pflug hinter sich her ziehen, ist hingegen nur in der Welt des Simulators frei von Folgen: Das Game handhabt physikalische Barrieren sehr flexibel.
Traktoren können Flüsse als Wege benutzen oder in Seen hineinfahren, ohne dass sie darin versinken. Die Physik ist im Landwirtschafts-Simulator meist ausser Kraft gesetzt oder funktioniert anders, als wir es in der Schule gelernt haben. Zäune sind eher optisches Gestaltungsmittel als effektives Hindernis für einen Traktor und Folgen hat eine Kollision sowieso keine. Grafischer Clou sind die Schafe: Sie stehen – völlig Schaf-untypisch – als einsame Singles auf den grünen Wiesenflecken und erinnern von ihrem Aussehen her an eine Art Hochlandrinder.
Nörgler, schaut' euch diese Zahlen an!
Solche Mängel scheinen der Beliebtheit des Landwirtschafts-Simulators aber keinen Abbruch zu tun, denn der Erfolg ist gigantisch für Giant , die kleine Schweizer Entwicklerbude aus Schlieren: Der Landwirtschafts-Simulator ist das erfolgreichste Spiel in der Schweiz – und das erfolgreichste Schweizer Spiel. Die erste Version kam vor gut vier Jahren auf den Markt und ging satte 250'000 Mal über die Ladentheke.
Wenn man die Verkäufe aller bisher erschienenen Landwirtschafts-Simulatoren zusammenzählt, hat die Zahl die drei Millionen-Marke überschritten. Die zweite Version von 2009 kam auch in Deutschland gut an, sie war im April und Mai das meist verkaufte Videospiel. Und im Jahr darauf war der Simulator in Deutschland gar das meistverkaufte PC-Spiel überhaupt. Dafür gab's für die Version 2011 dann auch den deutschen Entwicklerpreis in der Kategorie «Beste Simulation».
Alles fährt Traktor – Traktor ist alles
Die Grafik des Games ist nicht sau-, aber mittelmässig, Handlung oder eine Geschichte gibt es keine und die Realität spielt oft verrückt. Was macht dann den Reiz des Landwirtschafts-Simulators aus? Die Traktoren. Der Bauer im Simulator braucht nicht nur einen, sondern zwei. Oder besser drei. Dutzende! Dazu Rübenernter, Mähdrescher und einen Weidemann. Mindestens. Das Sammelfieber grassiert!
Der Fuhrpark soll umfangreich und abwechslungsreich sein, denn je mehr Fahrzeuge der Spieler hat, desto grösser werden die Möglichkeiten bei den Arbeitsprozessen. Dann ist mehr als bloss Pflügen möglich.
Ein anderer Grund für den grossen Erfolg der Landwirtschafts-Simulation liegt in der Endlosigkeit. Das Spiel hat kein richtiges Ende. Der Spieler kann tun, was er möchte. Das Spiel drängt einen nicht, etwas zu tun. Man kann selber entscheiden, was man tun möchte.
Wer schon etwas tiefer in das Spiel eingetaucht ist, wird bald auf das Thema Modding stossen: Spieler können eigene Mods (wie z.B. Maschinen oder Anhänger) erstellen und andere Spieler können diese Spiel-Erweiterungen dann aus dem Internet herunterladen. So bleibt das Spiel lange – beinahe endlos – interessant.
Nicht zuletzt ist der Landwirtschafts-Simulator schlicht und einfach heile Welt: Für Eltern ein nicht zu vernachlässigendes Kaufkriterium. Mit dem Simulator können sie ihren Kindern Spielen am PC ermöglichen, ohne sich dauernd wegen der negativen Einflüsse sorgen zu müssen, die bei Spielen anderer Genres gerne diskutiert werden. Erotik oder gar Pornografie? Sicher nicht. Wobei: Das Video unten ist da anderer Meinung ...
Nein, wirklich: Beim Landwirtschafts-Simulator kann nichts passieren, es sei denn, der Sohn ist der physikalischen Leichtigkeit zu angetan, mit der der Mähdrescher im See schwebt, und versucht das Szenario nach dem Erwerb des Führerscheins mit Papas Wagen nachzustellen.