Gleich viele Athletinnen wie Athleten, gleich viele Disziplinen, gleich viele Medaillensätze: Die Olympischen Spiele von Paris werden weiblicher denn je. Eine Entwicklung, die auch Ralph Stöckli, Chef de Mission bei Swiss Olympic, begrüsst.
SRF 3: Herr Stöckli, an den Spielen in Paris werden gleich viele Frauen wie Männer teilnehmen. Weshalb ist diese Quotengleichheit wichtig?
Ralph Stöckli: Das IOC ist, was die Gleichstellung betrifft, seit einigen Jahren vorbildlich unterwegs. Das gibt einen gewissen Druck auf die internationalen Sportverbände, die bei diesem Thema oft etwas hinterherhinken. Damit leistet das IOC einen grossen Beitrag zur ausgeglichenen Förderung beider Geschlechter im Spitzensport.
Was bedeutet die 50/50-Quote für die internationalen Sportverbände?
Internationale Sportverbände wie der Tennis- oder der Ruderverband müssen den Frauen gleich viele Olympia-Startplätze geben wie den Männern. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Es gibt aber nach wie vor Sportarten, bei denen es etwas komplizierter ist. Ein Beispiel aus dem Wintersport: In der nordischen Kombination gibt es an Olympischen Spielen bisher keine Frauendisziplin, da diese Sportart noch nicht ausreichend entwickelt ist. Aber das IOC nimmt die Verbände nun in die Pflicht, damit diese Disziplin ab 2030 bei den Frauen ebenfalls olympisch sein wird.
Ist Swiss Olympic auf Kurs, was die Quotengleichheit betrifft?
Wenn ich in die jüngste Vergangenheit schaue, dann sind wir durchaus ausgeglichen unterwegs. In Tokio 2021 hatten wir einen Frauenanteil von fast 49 Prozent. Es kann aber immer Ausreisser geben, wie das Beispiel London 2012 zeigt.
In London betrug der Frauenanteil in der Schweizer Delegation nur gerade 30 Prozent, der globale Durchschnitt lag bei 44 Prozent. Warum?
Team-Sportarten haben eine grosse Auswirkung auf die Quote. In London hatten wir die Fussball-Nati der Männer dabei. Wenn sich anstelle der Männer die Frauen qualifizieren, kann das Pendel auch mal in die andere Richtung ausschlagen. Solche Ausreisser kann es immer geben. Aber über alle Nationen gesehen, ist die 50/50-Verteilung künftig sichergestellt.
Der Blick in die Statistik zeigt, dass die Schweizer Frauenquote an den Sommerspielen oft im Durchschnitt, manchmal aber auch deutlich darunter lag. Wie erklären Sie sich diese Zahlen?
In der traditionellen Sportförderung wurden über Jahrzehnte hinweg meist die Männer berücksichtigt. Inzwischen hat sich das stark verändert. Da haben die einzelnen Sportverbände gute Arbeit geleistet. Auch Swiss Olympic als Dachverband unterstützt seit Jahren viele Förderprogramme für Frauen.
Können Sie ein Beispiel geben?
Wir haben Massnahmen und Strategien definiert, mit denen wir den Frauensport ganz spezifisch unterstützen. Da gibt es beispielsweise Programme zur Förderung von Team-Sportarten. Ausserdem haben wir Projekte in der Trainerinnen-Förderung und im Bereich Leistungsentwicklung lanciert. Gerade in der Leistungsentwicklung basieren die meisten wissenschaftlichen Studien auf männlichen Probanden. Hier besteht Nachholbedarf, um besser auf die Bedürfnisse der Frauen eingehen zu können.
Trotz dieses Nachholbedarfs schneiden die Schweizer Frauen an Olympischen Spielen durchaus gut ab …
Stimmt, die Qualität unserer Teilnehmerinnen ist stets hoch. Bei den letzten Spielen haben unsere Athletinnen gar zehn von dreizehn Schweizer Medaillen geholt. In Sachen Erfolg stehen die Frauen also definitiv nicht hinten an.
Das Gespräch führte Luk von Bergen.