Nach einer Woche mit der neuen Konsole von Sony fällt mir immer wieder ein Wort ein: Vernünftig. Die Playstation 4 ist aus der Vernunft geboren und steht damit in einem klaren Gegensatz zum Vorgängermodell Playstation 3.
Die Kiste
Die Playstation 4 ist ein schlichtes Gerät. Die raue Plastik-Oberfläche fühlt sich gut an und sieht gut aus. Bug und Heck, abgeschrägt, wirken zeitlos elegant, ohne zu langweilen. Sie ist nicht ausladend extravagant wie die Playstation 3, dieser runde Tischgrill mit Bling-Chrom und Klavierlack.
Die neue Konsole ist erstaunlich kompakt. Sie ist deutlich kleiner als die erste Playstation 3, hat eher die Grösse der aktuellen Slim. Wie bei Sony üblich ist das Netzteil im Gehäuse untergebracht – dadurch wirkt die Konsole schön aufgeräumt.
In den Menüs ist sie fast still. Im Spiel macht sie sich dann bemerkbar – rein nach Gehör würde ich sagen, etwas lauter als eine PS 3 Slim. Aber niemals in der Lautstärke des alten Xbox-360-Turboföns.
Hat man sie dann ausgepackt, genug betatscht und unter dem Fernseher versorgt, zieht sie sich vornehm zurück. Was wir dagegen ständig vor uns haben, ist der neue Kontroller. Und da ist Sony ein grosser Wurf gelungen.
Der Kontroller
Ich mochte den Playstation-Kontroller immer, in erster Linie aus nostalgischen Gründen: Die erste Playstation und ihr Kontroller sind in meiner persönlichen Gamer-Geschichte wegweisend. Doch auch ich muss zugeben, dass der Xbox-Kontroller (vor allem der aktuelle) schlicht ergonomischer ist.
Das hat Sony nun aufgeholt. Der neue Dualshock 4 liegt sehr gut in meinen Händen. Die Trigger sind nun nach aussen gewölbt. Die Sticks sind nun konkav. Beides bedeutet, dass wir weniger oft mit Zeigefingern oder Daumen abrutschen. Die Trigger gefallen mir ausserdem sehr, weil sie klein sind, mit recht kurzem Weg und leichtem Druck. Gerade die Xbox-360-Trigger waren mir dagegen immer etwas zu hart, besonders in Rennspielen bekam ich regelmässig Gas-Finger-Krämpfe.
Der Dualshock 4 ist vergleichsweise klein und leicht, was ich sehr schätze. Dass er leuchtet (normalerweise blau, oder auch rot, wenn wir verletzt sind), ist ein nettes, wenn auch nicht essentielles Funktiönchen. Und schliesslich hat man von Nintendos Wii-Fernbedienung die Idee geklaut, im Kontroller einen kleinen Lautsprecher unterzubringen. Und trotz dieser Anpassungen ist es gelungen, die visuellen Bezug auf die Ikone des alten Playstation-Kontrollers zu erhalten.
Weg mit «Start», her mit «Share»
Schwerer wiegt, dass sich Sony entschieden hat, 18 Jahre nach der ersten Playstation die «Select»- und «Start»-Knöpfe zu beerdigen. Die heissen neu «Share» und «Options» und signalisieren damit auch, dass sich diese Konsole weit vom alten Vorbild NES wegbewegt hat.
Nicht nur neu beschriftet wurden sie, sondern auch verschoben. Da wo sie 18 Jahre lang waren, ist nun ein Touchpad, eine glatte berührungsempfindliche Oberfläche, auf der wir mit den Daumen Gesten tippen können. Mit dieser Verschiebung hatte ich zu Beginn Mühe – ein über fast zwei Jahrzehnte aufgebautes Muskelgedächtnis liess mich oft ins Leere tippen.
Während «Options» die gleiche Funktion hat wie zuvor der «Start»-Knopf, ist «Share» etwas neues: Wir können damit jederzeit Screenshots machen oder ein Video des aktuellen Spiels mitschneiden (aus den letzten 15 Minuten auswählen). Mit einigen wenigen Knopfdrücken mehr können wir das Bild oder Video auf Facebook oder Twitter teilen.
Dass dafür eigens ein Knopf vorgesehen ist, mag diejenigen verwundern, die immer noch glauben, Gamer sässen alleine und isoliert vor ihren Bildschirmen. Doch die enorme Popularität von Game-Videos zeigt, dass Gamer wie alle anderen auch soziale Tierchen sind und sich deshalb gerne gegenseitig beim Spielen zuschauen. Die neue Playstation unterstützt dieses Bedürfnis – auch wenn ich mir wünschen würde, mehr Upload-Möglichkeiten zu haben (kein Youtube!?).
Schnelle Oberfläche
Auch sonst ist die Benutzeroberfläche in der Gegenwart angekommen. Die Playstation 4 kann im Hintergrund herunter- und hochladen; das Installieren der Spiele geht deutlich schneller; zwischen Spielen zu wechseln, diese zu starten, in Menüs zu springen ebenfalls. Für Smartphone-Nutzer mag das alles selbstverständlich klingen; doch Konsolen-Spieler, die lange Jahre vor dünnen grauen Balken auf schwarzem Grund gewartet haben, ist es eine Erlösung.
Nach eher etwas enttäuschenden Hands-Ons an der Gamescom im August war ich gespannt, ob ich auch im Spiel das Gefühl haben würde, vor einer Next-Gen-Konsole zu sitzen. Und ich muss sagen, das Flaggschiff «Killzone: Shadow Fall» ist diesbezüglich beeindruckend.
Die Grafik-Muskeln
Natürlich ist der Unterschied zur vorherigen Generation nicht so augenfällig wie beim Sprung von Standardauflösung auf HD. Und ein PC-Spieler, der seine Maschine regelmässig mit Grafikkarten hochrüstet, die teurer sind als die ganze Playstation 4, wird auch nicht vor Ehrfurcht erstarren. Doch wer mit der Playstation 3 vergleicht, sieht die sieben Jahre Technologie-Fortschritt sofort auf dem Schirm.
Vor einem Wasserfall spritzt Gischt; in der Luft bewegen sich Blätter, Asche oder Staub. Es gibt Feuer und Rauch, Glasscheiben reflektieren, die Kamera im Kopf ist ständig in leichter Bewegung. Und «Killzone» gibt sich ausserordentlich Mühe, immer eine Lichtquelle so zu platzieren, dass wir das alles in wunderbarem Streiflicht ausgeleuchtet präsentiert bekommen. Und Farben! Da ist nicht alles graugrünbraun, sondern knallig weiss, blau, hell – schlicht mehr Dynamik.
«Killzone: Shadow Fall»
Am beeindruckendsten aber ist die Sichtweite. «Killzone» lässt uns aus der Höhe über eine futuristische Grossstadt blicken – und während die Wolkenkratzer auf einer alten Konsole schnell im künstlichen Nebel verschwinden, sehen wir hier bis an den Horizont.
«Killzone: Shadow Fall» hat mich ohnehin überrascht. Ich erwartete ein Spiel, das in erster Linie die grafischen Muskeln der neuen Konsole vorführt. Doch auch spielerisch hat es mir gefallen.
Zwar bleibt die Geschichte von Menschen gegen Space-Nazis dämlich. Denn mal sind diese Helghast ganz klar böse, Nazi-Monster in schwarzen Uniformen mit Gasmasken und roten Leuchtaugen. Dann wieder werden wir daran erinnert, dass sie Opfer eines Genozids geworden sind und allen Grund haben, auf die Menschen hässig zu sein. Und kaum fragt man sich, wer da eigentlich die Bösewichte sind, wirft das Spiel sogleich wieder eine Splittergranate auf jede Ambivalenz. Dieses Universum hätte Potenzial für Zwischentöne und Komplexität, doch nichts davon ist im Spiel sichtbar.
Was dagegen gut ist: das mechanische Design des Schiessspiels. Während moderne Shooter vor allem auf eine wilde Achterbahnfahrt durch einen engen Korridor setzen und uns Spieler mit eng gesteckten Aufgaben mikromanagen, traut uns «Killzone: Shadow Fall» mehr zu. Einige Level sind so breit und offen, dass sie fast an Mehrspieler-Maps erinnern. Auch erhalten wir oft mehrere Missions-Ziele gleichzeitig und können selber entscheiden, welches wir als erstes wie erledigen. So etwas frivoles würde das aufpasserische «Call of Duty» nie zulassen.
«Resogun»
Hier in der Digital-Redaktion kam daneben der Indie-Titel «Resogun» gut an. Das Spiel ist für Playstation-Plus-Abonnenten gratis. Was die bittere Pille etwas leichter runterrutschen lässt ist, dass dieses Abo neu notwendig ist, um online mit anderen und gegen andere spielen zu können.
«Resogun» ist ein Twin-Stick-Shooter im Modern-Retro-Look. Wir bewegen ein Raumschiff nach links und rechts auf einer Art Space-Karussell und schiessen schön geometrische Wellen gegnerischer Schiffe ab. Ausserdem ersuchen wir, kleine grüne Menschlein zu retten, indem wir sie aufsammeln und in Transporter werfen. Mit dem linken Stick steuern wir unser Raumschiff; mit dem rechten zeigen wir an, in welche Richtung es schiessen soll.
Während es zu Beginn noch vor allem ums Überleben geht, beginnen wir uns mit gesteigerter Kompetenz auf möglichst viele Punkte zu konzentrieren. Dafür ist ein Multiplikator entscheidend: Solange etwas explodiert, steigt der an – wenn wir zu lange nichts treffen, fällt er in sich zusammen und mit ihm die Aussicht auf ein gutes Total.
Das Spiel ist nicht nur mechanisch astrein, sondern sieht auch toll aus. Es nutzt Voxel: Jedes Objekt ist aus unzähligen kleinen farbigen Würfeln zusammengesetzt. Und wenn es explodiert, zerspringt es wunderschön in tausend winzige Stückchen.
Der Vernünftige wartet
Obwohl mir diese beiden gefallen haben, darf man von den allerersten Spielen der Generation nicht zu viel erwarten. Erst rund zwei Dutzend gibt es zur Auswahl, und von nicht wenigen liest man, dass sie schlecht sind. Das ist nichts besonderes: Launch-Titel haben es immer schwer, weil die Entwickler das neue System schlicht noch nicht gut genug kennen.
Also: Vernünftige Gamer kaufen diese vernünftige Konsole noch nicht.
Das können sie auch nicht ohne weiteres: Schon im Oktober wurde bei einigen Händlern Unmut laut; die meisten der im Moment in die Schweiz gelieferten Konsolen sind wohl mit den Vorbestellungen allein schon weg. Einige Händler geben jetzt Lieferfristen bis März an.
Die Playstation 4 ist in den USA und einigen europäischen Ländern schon vor zwei Wochen gestartet; vor einer Woche zog die Xbox One nach (die erst Anfang nächstes Jahr in die Schweiz kommen wird). Die beiden Konsolen verkaufen sich gut: Sony meldete eine Million in den USA am ersten Tag. Auch Microsoft schaffte die Million in einem Tag, zählte allerdings etwas mehr Länder zusammen. Ein Vergleich dieser Zahlen ist ohnehin sinnlos, da beide Hersteller mehr verkaufen würden, wenn sie denn mehr liefern könnten.
Und eben, Grund zur Eile gibt es nicht. Was viele von euch natürlich nicht davon abhalten wird, eine Playstation 4 zu wollen. Doch damit es dann keine langen Gesichter gibt: Zum jetzigen Zeitpunkt kauft man erst das Potenzial, das vielleicht in ein paar Jahren realisiert wird.
Die Playstation 4 wird mit einem Dualshock-4-Kontroller ausgeliefert und kostet ohne Spiel rund CHF 460.-. Die Kamera PS 4 Eye und weitere Kontroller kosten je ca. CHF 90.-, die Mitgliedschaft bei Playstation Plus ca. CHF 65.- pro Jahr. «Killzone: Shadow Fall» ist ab 18; «Resogun» ist ab 7.