Ich bin der beste Polizist der Welt.
Sagt jedenfalls «Battlefield Hardline», nachdem ich schön brav hingestoffelt bin, wo es mich hingeschickt hat und alles aufgesammelt habe, was es aufgesammelt haben wollte.
Das Lob des Spiels perlt an mir ab, denn es ist Quatsch. Ich bin nicht stolz, sondern zermürbt, enttäuscht und, ja, etwas angewidert. «Battlefield Hardline» macht nur aus einem einzigen Blickwinkel Sinn: dem der Aktionäre von Verleger Electronic Arts.
Jedes Jahr ein neues Spiel
Denn es ist so: Electronic Arts sieht sich mit ihrer «Battlefield»-Serie in direkter Konkurrenz zur «Call of Duty»-Reihe, dem Blockbuster vom grossen Rivalen Activision. Activision zeigt nun seit mehr als einem Jahrzehnt, wie sich ein Schiessspiel zuverlässig zu Gold machen lässt: Man bringt jedes Jahr eine neue Version auf den Markt. Damit das geht, arbeiten zwei grosse Studios abwechslungsweise an der nächsten Version.
«Battlefield» dagegen wurde bisher ausschliesslich vom schwedischen Studio DICE entwickelt. Und die können halt auch nicht zaubern: zwischen den letzten beiden «Battlefield»-Versionen lagen zwei Jahre. Electronic Arts schaute sich die Activision-Methode ab und beauftragte folglich ein zweites Studio, ebenfalls ein «Battlefield»-Spiel herzustellen. Deshalb erhalten wir nun «Hardline» vom kalifornischen Studio Visceral.
Beim Spielen hat mich «Battlefield Hardline» nicht schlecht unterhalten. Weil das «Battlefield»-Fundament halt solide ist. Doch je mehr ich über «Hardline» nachdenke, desto enttäuschter bin ich: Es ist im Kern eine Fehlkonstruktion und in vielen Details schlampig bis einfallslos ausgeführt.
Die Fehlkonstruktion ist die: Weil das ein «Battlefield»-Spiel sein soll, ist die Grundmechanik die eines Kriegsspiels. Doch hier wird nicht die übliche «Gute Supersoldaten gegen böse Terroristen»-Geschichte erzählt, sondern ein Polizei-Thriller. Wir spielen nicht Supersoldat, sondern Superpolizist. Das Spiel tut so, als wäre das austauschbar. Das geht einfach nicht auf.
Fade, vorhersehbare Geschichte
Die Geschichte, die «Hardline» erzählt, ist in zehn Episoden strukturiert. Mit Rück- und Vorschau und sehr vielen filmischen Zwischensequenzen versucht das Spiel krampfhaft, wie eine actiongeladene Cop-Fernsehserie daherzukommen. Es geht um Drogenkrieg und natürlich um korrupte Polizisten, die sich so oft gegenseitig hintergehen, bis uns alles egal ist. Keine Figur hat Tiefgang, keine «überraschende» Wende ist überraschend, kein «witziger» Spruch landet, kein Bogen der Handlung ist zwingend.
Dabei hätte die Idee Potenzial: Als wir zu Beginn der Geschichte einen Informanten aufsuchen sollen, fahren wir in eine üble Gegend am Rande Miamis, lassen das Auto stehen und gehen zu Fuss. Wir sind als Polizisten erkennbar und offen, allein, verletzlich. Wir fühlen uns beobachtet und bedroht. Wir fragen uns, warum wir die hier in Armut hausenden Menschen eigentlich als potenzielle Feinde sehen.
Diese Anspannung, die Unberechenbarkeit der Situation wäre ein interessantes, Polizei-spezifisches Thema gewesen, sie hätte emotionale Nuancen erlaubt. Doch die Szene bleibt im Spiel eine Ausnahme.
Verhaften = Betäuben
Stattdessen wird geballert. Bis auf wenige Szenen muss man allerdings nicht: Man kann den guten Polizisten spielen und Verbrecher verhaften, statt sie einfach über den Haufen zu schiessen. Und zwar so: Wir schleichen uns an, drücken einen Knopf, worauf der Verbrecher seine Waffe fallen lässt und die Arme hebt.
Bis zu drei Verbrecher gleichzeitig können wir so verhaften, sofern wir ihnen immer schön die Waffe ins Gesicht halten. Denn verlieren wir einen kurz aus dem Blick, zieht der sogleich und die Schiesserei geht los.
Sobald wir nah genug an einem dran sind, drücken wir einen weiteren Knopf, um den Verbrecher in Handschellen zu legen. Worauf er das Bewusstsein verliert und mucksmäuschenstill am Boden liegen bleibt. «Verhaften» ist mechanisch also das Gleiche wie «Betäuben» in unzähligen anderen Schleichspielen von « Thief » bis «Metal Gear Solid».
Und es ist völlig mechanisch: Wir drücken den Knopf, die Verbrecher reagieren jedes Mal genau gleich. Keiner dreht durch, keiner flüchtet, keiner ruft eine Warnung an seine Kollegen, keiner ergibt sich auch ohne Gewaltandrohung. Das ist so repetitiv, dass es schlicht schnell langweilig wird.
Keine Belohnung für nicht-tödliches Verhalten
Schleichen und verhaften ist immer langsamer und schwieriger, als sich einfach den Weg freizuschiessen. Entsprechend erhalten wir dafür mehr Punkte – man könnte also sagen, «Hardline» belohnt nicht-tödliches Verhalten. Nein! Denn als Belohnung erhalten wir: mehr Gewehre. Die wir ja als gewissenhaft deeskalierender Cop genau nicht einsetzen wollen.
Was mit den bewusstlosen Verhafteten passiert, die da im Dutzend am Boden herumliegen, bleibt offen. Und wir können sogar weiterhin verhaften, nachdem wir zur Mitte der Handlung wegen korrupter Ränkespiele aus der Polizei fliegen und ab dann auf eigene Faust Selbstjustiz üben.
Unsere Figur hält sich auch sonst nie an normale Verhaltensregeln eines Polizisten. Nie warten wir auf Verstärkung, nie halten wir uns zurück, um keine Umstehenden zu gefährden, nie geht es darum, um jeden Preis Leben zu schützen. Schon im Kern ist die Spielanlage so weit weg von echter Polizei-Arbeit, wie sie sein könnte: Wir sind immer allein oder zu zweit gegen eine Horde von Verbrechern, eine Asymmetrie, die in der Realität genau umgekehrt wäre.
Die zunehmende Militarisierung der Polizei, in den USA spätestens nach Ferguson eine Diskussion, wird zwar thematisiert – der Antagonist des Spiels baut eine privatisierte Polizei-Armee auf, um den Krieg gegen Drogen im wörtlichen Sinne wie einen Krieg zu führen (und sich dabei eine goldene Nase zu verdienen). Das Spiel tut also vordergründig so, als fände es diese Militarisierung problematisch. Doch das ist geheuchelt: Denn die meisten Werkzeuge, die uns das Spiel dann selber anbietet, sind militärische Mittel.
Das Spiel unternimmt nicht den Anflug eines Versuchs, all diese Ungereimtheiten zu erklären. Natürlich erwarte ich von einem Actionspiel nicht Realismus. Aber irgendeine interessante neue Idee schon. Stattdessen ist das ein Kriegsspiel mit einem zweiten «Betäube Gegner»-Knopf.
Nicht genug poliert
Dazu kommen viele kleine und grosse technische Probleme, die den Eindruck verstärken, dass es schnell gehen musste:
- Immer wieder mal stimmt mit dem Ton etwas nicht (Musik spielt zu lange weiter oder Gesprochenes ist plötzlich viel zu leise gegenüber Hintergrundgeräuschen).
- Zwischenziele oder Erfolge erledigen wir, ohne dass das Spiel es merkt.
- Die Speicherpunkte in einer Episode sind fast immer zu weit auseinander und praktisch immer vor einer Zwischensequenz gesetzt, die wir dann bei jedem Fehlversuch erneut ansehen müssen.
- Keine dieser Zwischensequenzen können wir überspringen. Was besonders nervtötend ist, wenn wir eine Episode erneut spielen, um ein Beweisstück zu finden, das beim ersten Durchgang vergessen ging.
- Die vom Computer gesteuerten Partner, die uns oft begleiten, sind nur Staffage: Sie stehen konsequent gut sichtbar und ungedeckt im Weg herum. Was uns immerhin nicht schadet, weil Feinde sie schlicht ignorieren. Man fragt sich, warum wir überhaupt Partner dabei haben.
Durchsichtiges Polizei-Mäntelchen
Soviel zur Geschichte. Davon abgetrennt ist der Online-Mehrspieler-Modus, wo die Spieler in der Regel deutlich mehr Zeit verbringen. Und dort wird noch deutlicher, wie durchsichtig das übergestülpte Polizei-Mäntelchen ist. Denn ein Team übernimmt die Rolle der Verbrecher, das andere die der Polizisten. Wie in jedem «Battlefield» sind diese beiden Teams gleich gross, die Schlacht ist also symmetrisch. Alle feuern mit allem aus allen Rohren. Das hat mit Polizei-Arbeit schlicht überhaupt nichts mehr zu tun – es ist die vollkommene Militarisierung.
Nun war der Vorgänger « Battlefield 4 » ja ein äusserst kompetentes Schiessspiel, und «Hardline» kann darauf aufbauen. Die neuen Spiel-Varianten sind zumindest am Anfang durchaus verlockend: In «Heist» versuchen die Verbrecher, in einen Tresorraum vorzudringen und das dort gestohlene Geld an einem Zielpunkt abzuliefern. In «Blood Money» versuchen Verbrecher und Polizisten, einen Stapel Geld aus der Mitte in den jeweils eigenen Panzerwagen zu bringen. Und in meiner Lieblingsvariante «Hotwire» geht es darum, verschiedene Autos so lange wie möglich unter Kontrolle des eigenen Teams zu halten, also heil damit herumzufahren.
Neue Spiel-Varianten nicht ausgereift
Diese Spiel-Varianten sind auf den zweiten Blick aber halt nur ein bisschen neu: «Heist» und «Blood Money» sind Varianten des traditionellen «Capture The Flag»: Statt der üblichen zwei Flaggen, die erobert und in die eigene Basis gebracht werden müssen, sind es hier einfach eine (der Tresor in «Heist») respektive drei (Geldstapel und Panzerwagen in «Blood Money»). Und «Hotwire» ist eine Variante des in «Battlefield 4» sehr beliebten «Conquest»-Modus – statt fixer Punkte auf der Karte sind es hier einfach bewegliche, die gehalten werden müssen.
Ausserdem sind sie noch nicht ausgereift: In «Bloodmoney» bildet sich in der Mitte des Schlachtfeldes um den Geld-Stapel ein Flaschenhals und oft völlig unkoordiniertes wildes Gemetzel. In «Hotwire» gibt es für das Fahren des Autos viel zu viele Punkte; ausserdem sind zu viele Raketenwerfer im Spiel. Während die einen versuchen, im Auto leicht verdiente Punkte zu sammeln, machen die anderen die Autos per Rakete zur Todesfalle – das Resultat ist oft ein unattraktiver Spielverlauf ohne viel Taktik.
Dass die Schlachtfelder im Vergleich zu «Battlefield 4» kleiner sind, ist gewollt. Weil auch viele Fahrzeuge wie Panzer oder Flugzeuge fehlen, wird die Schlacht in erster Linie ein Infanterie-Gemetzel. Die Action ist schneller und chaotischer, aber auch gleichförmiger.
Wie in «Battlefield 4» gibt es auch in «Hardline» allerlei Waffen und Zubehör, das wir uns freischalten müssen. Doch es ist zu wenig – oft steht nicht einmal die Hälfte der Waffen zur Verfügung wie in «Battlefield 4». Noch kleiner wird diese Auswahl, weil nicht jede Waffe gleichwertig ist. Die sind schlicht nicht sauber ausbalanciert.
Geschäftliches Kalkül zu sichtbar
Trotzdem, das Fundament von «Hardline» ist solide. Die Waffengeräusche und die Nachlade-Animationen sind exzellent. Einige der Schauplätze sehen toll aus, zum Beispiel die Luxusvilla in den Hügeln hoch über Los Angeles. In einigen Abschnitten der Einzelspieler-Geschichte lässt uns das Spiel recht grosse taktische Freiheiten und nimmt uns nicht ständig an der Hand. Online war das Spiel von Beginn an stabil, was nach dem äusserst wackligen Start von «Battlefield 4» nicht selbstverständlich war. Und «Hotwire» ist eine richtig gute Variante vom ohnehin schon guten «Conquest».
Doch insgesamt ist die Bilanz ernüchternd: Die Einzelspieler-Geschichte ist fade und funktioniert nicht. Die Mehrspieler-Varianten (neue Schlachtfelder, neue Spiel-Varianten) hätten auch eine Erweiterung von «Battlefield 4» sein können.
Aber das war ja von vornherein ausgeschlossen – ein neues Spiel zum vollen Preis musste her, so schnell wie möglich. Dieses rein geschäftliche Kalkül kann «Battlefield Hardline» noch weniger verbergen als das Kriegsspiel unter dem durchsichtigen Polizei-Kostüm.
«Battlefield Hardline» ist für Playstation 3 & 4, Xbox 360 & One und PC. Es ist ab 18. Das Haikiew ist hier.