Ich mag meine dicke Katze.
Ahrahin heisst sie. Sie ist eine Khajiit, ein Katzenmensch. Sie ist gross, breit, gut gepolstert. Ich habe sie nach dem Vorbild der Zwei-Meter-Ritterin aus «Game of Thrones» gestaltet, Brienne von Tarth .
Ahrahin ist eine Templerin: Sie nutzt die Macht des Lichts, um Feinde zu verbrennen und Freunde zu heilen. Ich erkunde mit ihr Tamriel, die riesige Welt von «Elder Scrolls Online».
Der erste Besuch in Tamriel
Über Games zu schreiben, ist Reisejournalismus. Diese Metapher von Autor Kieron Gillen («we are travel journalists to imaginary places») ist treffend, und hier ganz besonders.
Denn «Elder Scrolls Online» ist riesig, und das ist sozusagen mein erster Besuch in diesem Land. Das kann deshalb unmöglich ein Review sein – in dem Sinne, dass ich eine abschliessende Meinung haben könnte, wie diese Welt ist. Gut zwei Dutzend Stunden habe ich verbracht im Spiel, gesehen aber erst einen winzigen Ausschnitt. Es ist, als würde man eine grosse Frankreich-Reise planen und in Strassburg hängen bleiben.
Wohlan denn. Lasst mich erzählen, wie es in Strassburg war.
Nicht mehr alleine
Das letzte Spiel der «Elder Scrolls»-Reihe, «Skyrim», habe ich geliebt . Es war mein bester Game-Moment 2011 .
Doch im Gegensatz zu allen früheren «Elder Scrolls»-Spielen ist «Elder Scrolls Online», ja, ihr habt's erraten, online. Wir spielen also nicht alleine, sondern gemeinsam mit anderen Spielern, sehen sie in derselben Welt herumrennen.
Dass Hersteller Bethesda auf dieses Modell wechselt, ist nachvollziehbar. Denn statt das Spiel zu kaufen und einmal zu bezahlen, lösen wir jetzt zusätzlich zum Kauf ein Abonnement und bezahlen jeden Monat für das Privileg, spielen zu dürfen. Es ist das alte «World of Warcraft»-Modell und es war zumindest dort verführerisch lukrativ.
Für uns Spieler ist die Konsequenz dieses Online-Zusatzes allerdings radikal. Denn für mich war das Beste an «Skyrim», dass ich diese riesige Welt für mich alleine hatte. Ich entdeckte sie für mich. Ich fühlte mich einsam und mächtig zugleich. Diese Welt drehte sich nur um mich.
Das ist in «Elder Scrolls Online» nicht mehr so. Ich bin nun einer von vielen. Besonders zu Beginn des Spiels ist das ernüchternd.
In den Startgebieten stehen sich die neuen Spieler auf den Füssen herum. Wir erleben da kleine Geschichten und sprechen mit vom Computer gesteuerten Figuren, helfen ihnen. Doch eigentlich sind die gar nicht auf mich angewiesen, denn es stehen noch fünf andere Spieler da und machen genau das gleiche.
Das ist in jedem Multiplayer-Online-Spiel so. Doch hier hat es mich deutlich mehr gestört als beispielsweise in «World of Warcraft». Während es dort schon immer zur Slapstick-Atmosphäre des Spiels gehört hat, zusammen durch einen Acker zu rennen und auf Wildschweine draufzuhauen, lebten «Elder Scrolls»-Spiele von der Einsamkeit, von der Illusion, der einzige Held zu sein.
Der Rausch des Entdeckens
Mit fortschreitender Geschichte verteilen sich die Spieler etwas. Dann war «Elder Scrolls Online» für mich am besten: wenn ich alleine durch Wälder ritt und dort ganz unerwartet eine Höhle oder Ruinen oder eine Figur fand, die meine Hilfe benötigte. Statt in einer Stadt Dutzende von Auftraggebern zu konzentrieren, sind hier die Figuren, die etwas von uns möchten, in der Welt verstreut. Sie zu treffen, fühlt sich deshalb viel organischer an. Wir sind nicht hier, um eine grosse To-Do-Liste abzuhaken, sondern um die Welt zu durchstöbern.
Dieses freie Entdecken ist toll. Die Welt ist atemberaubend gross, atemberaubend detailliert und meist richtig schön anzusehen. Wer sich die knallbunte Bonbon-Welt von «World of Warcraft» gewohnt ist, wird Tamriel etwas sehr grau-grün-braun finden. Doch mir gefiel die ausgeblichene Farbpalette gut, weil sie auch eine ernsthaftere Welt symbolisiert.
Kämpfe in Bewegung, flexible Klassen
In einem Fantasy-Spiel kämpfen wir natürlich auch. Die Mechanik dieser Kämpfe unterscheidet sich aber deutlich von Konkurrenten. Wir haben eher wenige Spezialfähigkeiten zur Verfügung, durch die wir rotieren. Wichtiger sind dagegen Bewegung um die Gegner, ein Standardangriff mit Schwert, Bogen oder Stab und das Blocken gegnerischer Angriffe zum richtigen Zeitpunkt. Dadurch sind die Kämpfe «physischer», wir müssen lernen, uns motorisch geschickt zu bewegen.
Für unsere Spielfigur wählen wir eine Klasse, Templer oder Zauberer beispielsweise. In anderen Rollenspielen gibt es meist viele verschiedene Klassen. Hier gibt es lediglich vier. Normalerweise bestimmt die gewählte Klasse die Rolle, die man in Gruppen mit anderen Spielern einnimmt – ein Krieger stellt sich vorne hin und lässt die Monster auf sich und seine Rüstung einprügeln; Priester stehen hinten und heilen ihre Freunde.
«Elder Scrolls Online» ist flexibler: Welche Rolle man einnimmt, hängt nicht nur von der Klasse ab, sondern von den Fähigkeiten, die man mit der Zeit trainiert und den Waffen, die man regelmässig benutzt. So können Spieler in verschiedene Rollen schlüpfen.
Wo geht die Reise hin?
Weil das alles noch neu ist, muss offen bleiben, wie sich das System bewährt, wenn wir dann alle fortgeschrittenere Figuren haben und in grösseren Gruppen schwierige Herausforderungen meistern wollen. Im Moment fühlt es sich frei und flexibel an. Das könnte so bleiben – oder sich als unbalanciert und unnötig komplex herausstellen.
Das Gleiche gilt für die Inhalte für fortgeschrittene Spieler. Jetzt hat die schlicht noch niemand gesehen. Wir sind auf unserer Frankreich-Reise unterwegs und wissen, das wir uns irgendwann mal dieses Paris anschauen werden. Doch wie es da sein wird, ist noch offen.
Sooo viele Probleme
Ob wir überhaupt so weit reisen, wird auch davon abhängen, ob die unzähligen kleinen und grossen Probleme behoben werden. Im Moment wirkt so vieles mit Klebeband und Spucke zusammengeflickt oder schlicht schlecht durchdacht.
Beispielsweise:
- Figuren, deren Füsse im Boden stecken.
- Figuren, die nicht da stehen wo sie sollten, oder die nicht das tun, was sie im Moment tun sollten.
- Seltsame Animationen.
- Schalter, die sich nur aus einem ganz speziellen Winkel bedienen lassen.
- Kisten, die man nur öffnen kann, wenn man knapp daran vorbeigreift.
- Träger Text-Chat.
- Die bescheuerte Idee, das Aufheben und Einstecken von Gegenständen auf zwei verschiedene Tasten zu verteilen. Wovon eine diejenige ist, die sonst eine mächtige Spezialfähigkeit auslöst, welche man deshalb immer wieder mal sinnlos verschwendet.
- Sooo viele Systeme, die zwar funktionieren, aber nie erklärt werden, etwa Seelensteine.
- Gegenstände, die mit «Plunder, der nur für Händler einen Wert hat» angeschrieben sind, die man dann aber einzeln von Hand «als Trödel markieren» muss, um sie automatisch an ebendiese Händler verkaufen zu können.
- Statt mit einem Knopfdruck alle zwanzig Schweinspasteten zu backen, müssen wir zwanzig mal drücken.
- Die Server für Wartungsarbeiten weltweit nach amerikanischer Zeit herunterzufahren, was bedeutet, dass Europäer am Abend in ihrer «Prime Time» nicht spielen können.
- Das nicht einmal, sondern mehrmals zu tun und das wilde Protestgeheul zu ignorieren.
- Sooo geschwätzig. Jede Figur textet uns zu, in einer Ausführlichkeit, die künstlich aufgeblasen wirkt.
- Sooo viele Ingredienzen in viel zu kleinen Taschen, um unzählige meist nutzlose oder redundante Rüstungen, Esswaren oder Tränke herzustellen.
Ein beschwerlicher Weg
Das ist alles nicht gut. In der Summe kann es das Spiel verderben. Doch sind nicht genau die beschwerlichen Reisen die besten? Wenn wir nicht alles bequem vorgeführt bekommen, wenn wir uns auch mal durch Widrigkeiten beissen müssen?
Da ist Potential in «Elder Scrolls Online». Vielleicht werden uns die Probleme zu viel und wir reisen enttäuscht ab. Vielleicht hält diese Welt noch tolle Erlebnisse für uns bereit.
Sicher bin ich heute nur: Ich mag meine dicke Katze.
«Elder Scrolls Online» ist für PC und Mac. Es ist ab 16. Das Haikiew ist hier.