1. «Die Milch, die wir im Laden kaufen, ist durch die industrielle Verarbeitung alles andere als ein Naturprodukt.»
Fakt ist: Aus dem Euter einer Kuh kommt sogenannte Rohmilch. Diese wird auch im Laden verkauft, jedoch mit einem entsprechenden Hinweis, denn Rohmilch kann krankheitserregende Keime enthalten. Die Milch aus dem Laden ist meist homogenisiert, standardisiert und pasteurisiert – das verhindert, dass Milch aufrahmt und macht sie länger haltbar. Laut Milchproduzent Christof Baumgartner kann die industrielle Verarbeitung die Zusammensetzung der Milch leicht verändern. Der Rohmilch am nächsten kommt nicht homogenisierte Bio-Frischmilch aus dem Laden.
2. «Milch ist für Kälber gedacht, nicht für den Menschen. Milch zu trinken, ist unnatürlich.»
Fakt ist: Laut Swissmilk ist der Mensch der einzige Säuger, der auch Milch von anderen Tierarten trinkt. Ernährungswissenschaftlerin Barbara Walther von der Forschungsanstalt Agroscope sagt dazu: «Der Mensch ist im Laufe der Domestizierung vor mehreren Jahrtausenden zum Milchtrinker geworden, da er in Hungerzeiten alles versucht hat, sich am Leben zu erhalten. Plötzlich gab es einzelne Menschen, welche Milch problemlos verdauen konnten - dank einer Genmutation. Falls diese Mutation für die Menschen zum Nachteil geworden wäre, wäre sie rasch eliminiert worden. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Sie hat sich schnell verbreitet und wird dominant vererbt.»
3. «Milch ist unverzichtbar für eine gesunde Ernährung.»
Fakt ist: Weltweit gibt es viele Menschen, die keine Kuhmilch zu sich nehmen – eine deutliche Mehrheit verträgt sie unverarbeitet gar nicht. Dazu Barbara Walther von Agroscope: «Mit einer sorgfältigen Auswahl kann der Kalziumbedarf auch über andere Lebensmittel gedeckt werden – es ist aber schwieriger.» Renato Pichler, Präsident von SwissVeg widerspricht: Er habe keine Mühe damit, sich ohne Milchprodukte gesund zu ernähren. Sehr kalziumhaltig sind zum Beispiel Brokkoli und viele Kopfkohlarten. Milch ist laut Agroscope auch nicht einfach DAS Superfood schlechthin: Dem Baby liefert die Milch zwar alles, was es braucht, doch später kann sie unseren Bedarf nicht mehr decken. Als Allesesser seien wir auf eine gemischte Kost angewiesen.
4. «Milch zu produzieren, schadet dem Klima – denn Kühe sind Klimakiller.»
Fakt ist: Die Viehhaltung verursacht Emissionen, die schädlich sind für die Umwelt. Je mehr Vieh, desto höher die Emissionen. In einer gross angelegten Forschungsarbeit ( The Lancet: Willett et al. 2019 ) haben Forscherinnen und Forscher aus 16 Ländern einen «nachhaltigen Speiseplan» entworfen, der die natürlichen Grenzen unseres Planeten berücksichtigt – aber auch gesundheitliche Aspekte. Empfohlen wird der Verzehr von maximal 250 Gramm Milch oder Milchprodukte täglich (Energiemenge: 150 kcal). In der Schweizer Lebensmittelpyramide stehen täglich drei Portionen Milchprodukte auf dem Plan. Eine Portion entspricht dabei zum Beispiel 2 Deziliter Milch oder 150-200 Gramm Jogurt. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, gilt es auch bei pflanzlichen Produkten genau hinzuschauen. Die Ökobilanz verschiedener Lebensmittel wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. So geht es auch bei der Milch nicht nur um das Tier, sondern auch um Transportwege, um die Haltung, um die Fütterung, um die Nutzungsdauer der Tiere... etc.
5. «Kühe leiden unter der frühen Trennung ihrer Kälber.»
Fakt ist: Der Grossteil der Schweizer Milchkühe wird regelmässig künstlich befruchtet. Denn nur eine Kuh, die ein Kalb geboren hat, kann Milch geben. Fakt ist auch, dass die meisten Kälber nach wenigen Tagen oder sogar nur Stunden von den Muttertieren getrennt werden. Es gibt mittlerweile aber auch Schweizer Bauern, die auf Kuhmilch aus sogenannter «muttergestützter Kälberaufzucht» setzen. Da bleibt das Jungtier mehrere Monate bei seiner Mutter. Erste Erfahrungen weisen darauf hin, dass solche Milch einem Kundenbedürfnis entsprechen könnte, wenn auch als Nischenprodukt. In Deutschland wird die Milch bereits als «Elternzeit-Milch» vermarktet. In der Schweiz ist dies aus gesetzlichen Gründen (noch) nicht möglich.
6. «Milchkühe sind oft krank und müssen dauernd mit Antibiotika gefüttert werden.»
Fakt ist: Euterentzündungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen im Milchkuhstall und müssen oft mit Antibiotika behandelt werden. Wenn Antibiotika in die Milch gelangt, darf sie nicht mehr verkauft werden. In der Schweiz betrifft das jährlich gut 1% der produzierten Milchmenge. Problematisch kann es werden, wenn Antibiotikareste in die Natur gelangen - wenn die belastete Milch zum Beispiel weggeschüttet oder zum Düngen der Felder benutzt wird. Laut dem Bundesamt für Lebensmittel und Veterinärwesen gibt es zahlreiche Bestrebungen, den Antibiotikaverbrauch in der Schweizer Landwirtschaft zu senken. Ein aktuelles Beispiel ist der sogenannte «grüne Teppich» , der ab September kommen soll. Milchproduzenten, die sich an die darin vorgeschriebenen Standards halten, werden finanziell belohnt.