Elend und neue Drogenpolitik
Am Anfang stand das Elend. Das Elend der Süchtigen Anfang der 1990er-Jahre das besonders am Platzspitz und später am Letten in Zürich sichtbar war. HIV und andere Krankheiten grassierten, die zahlreichen Drogentoten schockierten und die immer häufigeren Beschaffungsdelikte verunsicherten.
Um der Misere beizukommen, entschied die Schweiz eine international einzigartige Studie durchzuführen und Schwerstsüchtigen reines Heroin abzugeben. Diese Drogenabgabe wurde vom Ausland zwar stark kritisiert, für die Schweiz war es ein Schritt vorwärts in eine neue Drogenpolitik.
Woher kommt der Stoff?
Beinahe wäre die Schweiz jedoch gestolpert bei diesem grossen Schritt in die Zukunft. Die Stoffbeschaffung war eine (beinahe zu) hohe Hürde. Das Bundesamt für Gesundheit BAG suchte einen Heroin-Lieferanten für die Drogenabgabe. Die Beamten wurden zunächst in Frankreich fündig.
Aber bei einer Pressekonferenz informierte die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss die französische Presse, woher die Schweiz das Heroin her hat. Bis dahin war dies nicht bekannt. Insbesondere der französischen Regierung in Paris nicht. Diese stoppte bald darauf die Heroinlieferungen in die Schweiz.
Die Beamten beim BAG brauchten einen neuen Lieferanten. England schien geeignet. Heroin wurde dort nie verboten.
Doch das Heroin aus England entsprachen nicht der gewünschten Qualität. Auch die Quantität war ein Problem. Der Beschaffungsstress für die Beamten in Bern begann von Neuem. Die Heroin-Studie, das heisst die Drogenabgabe abbrechen, weil der Stoff fehlte, war keine Option.
Halt selbst machen
Für einen ganz kurzen Moment überlegten die Beamten beim BAG ob man Strassenheroin beschaffen soll und um dieses dann im Labor zu reinigen. Eine abwegige Idee die sehr schnell verworfen wurde.
Auch eine synthetische Produktion von Heroin ganz im Labor musste man verwerfen. Zu kompliziert, zu teuer wäre solches Heroin gewesen. So blieb die einzige Option: Den Stoff selbst herstellen. Das BAG formierte ein Team das für die Schweiz Heroin herstellen sollte.
Heikler Stoff
Das BAG wollte aber das Heroin nicht selbst herstellen. Zu heikel ist der Stoff. Die nötige Diskretion im Amt wäre kaum zu gewähren. So gründete der Leiter des Heroin-Teams mit einem Partner eine eigene Produktionsfirma. Die Firma stellte im Auftrag der Schweiz Heroin her.
Noch heute ist diese Firma der einzige Lieferant der inzwischen etablierten Drogenabgabe. Im Fachjargon spricht man von der Heroingestützten Behandlung HeGeBe.
Vom Nebenprodukt zum Exportschlager
Das Schweizer Heroin wir seit einigen Jahren auch exportiert. Inspiriert von der Schweiz haben Deutschland, Dänemark, Grossbritannien und Kanada ähnliche Suchttherapien lanciert. Dort erhalten Süchtige Heroin «made in Switzerland». Dieses Jahr soll auch noch Norwegen dazu kommen.
Die aus der Not geborene Heroinproduktion in der Schweiz ist heute die unverzichtbare Basis der internationalen Suchttherapien mit Diacetylmorphin - also Heroin.