Warum hat sich bis heute kein aktiver Fussballer aus einer namhaften Liga zu seiner Homosexualität bekannt? Gibt es eventuell schlicht und einfach gar keine schwulen Fussballer? Roman Heggli, Geschäftsführer von Pink Cross, dem Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz, meint dazu: «Ich bin überzeugt, dass es in der Super League schwule Fussballer gibt. Vermutungen und Gerüchte kenne ich ebenfalls. Daher warte ich gespannt auf das erste Outing in der Schweiz.»
Allerdings gibt es verschiedene Faktoren, die ein Coming-Out erschweren. Hier eine Auswahl:
Die Medien
Es wäre ein spektakulärer Scoop. Viele Medien jagen deshalb dem Phantom nach: Führt dieser Fussballer vielleicht ein Doppelleben? Haben diese zwei Spieler ein heimliches Verhältnis?
Diese Personalisierung der Berichterstattung führt dazu, dass sich betroffene Profis regelmässig davon distanzieren. Häufig mit Aussagen, die an Schwulenfeindlichkeit grenzen. Zlatan Ibrahimovic beispielsweise reagierte auf die Frage einer Repoerterin, ob er eine sexuelle Beziehung zu einem Mitspieler habe, mit der Antwort: «Komm mit zu mir nach Hause, dann zeige ich Dir, wie schwul ich bin. Und bring deine Schwester auch gleich mit.»
Aber nicht nur erschwert die reflexartige Verneinung von Homosexualität ein mögliches Outing. Der Druck auf einen Spieler, der sich für ein Coming-Out entscheidet, nimmt damit stetig zu. Wenn sich ein Schweizer Profi dafür entscheiden würde, gäbe es Schlagzeilen bis weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Dies könnte man durchaus als Chance nutzen, man muss dem medialen Ansturm dann aber auch gewachsen sein.
Der Schweizer Fussballverband (SFV) würde ein Coming-Out eines Sportlers derweil in Sachen Medienarbeit begleiten, wie er es auch beim Outing des damaligen Profi-Schiedsrichters Pascal Erlachner gemacht hat. Benjamin Egli, Ethik-Verantwortlicher des SFV sagt gegenüber SRF 3: «Wir würden einen Spieler bei diesem Entscheid sicher unterstützen und ihn in der Kommunikation beraten. Aber die Entscheidung liegt natürlich bei der Person selber.»
Sponsoren
Die Fussballwelt gleicht heute einem Karussell. Gerademal gut zwei Jahre bleibt ein Spieler seinem Verein treu, dann kommt der Transfer. Dabei geht es um immer grössere Summen. Fussball als Big Business macht das Outing eines Spielers nicht einfacher, ist Marcel Tappeiner überzeugt. Tappeiner ist im Vorstand des queeren Fanclubs des FC Zürich, den «Letzi Junxx».
Es gebe durchaus kommerzielle Gründe, die gegen ein Coming-Out sprächen: «Fussballer sind heute eine Art Handelsware. Je stromlinienförmiger, desto einfacher lässt sich ein Spieler transferieren. Wenn sich jemand outet, macht er es sich bestimmt nicht leichter, zu einem grossen Club zu kommen.»
Fans
In den Fankurven hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel verändert. Als er in den Achtziger Jahren sein eigenes Coming-Out hatte, wandte er sich bewusst vom Fussball ab, erinnert sich Marcel Tappeiner: «Natürlich war die Stimmung damals homophob. Das Stadion war bestimmt kein Ort für ein Outing.» Vorübergehend verfolgte er den Sport lediglich über die Medien, blieb der Arena fern.
Mittlerweile sei jedoch viel passiert: «Schwulenfeindliche Gesänge aus der Kurve gibt es heute nicht mehr. Und wir als queerer Fanclub sind nach zehn Jahren in der Kurve ein anerkannter Bestandteil.»
In den drei grossen Städten Bern, Basel und Zürich haben sich schwullesbische Fanklubs ihren Platz im Stadion erkämpft. Und damit ein Coming-Out eher wahrscheinlicher als schwieriger gemacht.
Die Spieler selber
Eine Umfrage des Schwulenmagazins «Mannschaft» unter Schweizer Profifussballern zeigte auf den ersten Blick eine sehr offene Haltung: 87 Prozent der befragten Spieler gaben an, einen schwulen Mitspieler zu akzeptieren. Gleichzeitig äusserten knapp drei Viertel die Vermutung, ein Coming-Out würde sich negativ auf dessen Karriere auswirken.
Und 68 Prozent sagten, sie würden «schwul» als Schimpfwort benutzen. Ein deutliches Indiz, dass der Umgang in der Kabine und auf dem Trainingsplatz keine grosse Ermutigung ist für einen Spieler, sich zu outen.
«Es wäre spektakulär»
Am Ende bleibt ein Coming-Out für jede Person eine sehr persönliche Entscheidung – ob er nun Profi-Fussballer ist oder Versicherungsangestellter. Aber der Druck nimmt nicht ab, je länger die Zeit läuft.
Dennoch ist Roman Heggli von Pink Cross überzeugt, dass ein Coming-Out in der Gesellschaft positiv aufgenommen würde: «Es wäre sicherlich spektakulär! Einfach, weil es der erste sein wird. Aber der grosse Teil der Bevölkerung würde hinter einem Outing stehen, die negativen Rückmeldungen wären höchstens vereinzelt.»