Stefanie streckt mir ihr linkes Handgelenk hin und lacht. Darauf prangt ein chinesisches Zeichen. Die erste Tätowierung, welche sich Stefanie hat stechen lassen. Es sei so klischeehaft, kichert sie, dass genau das erste Tattoo ein chinesisches Zeichen sei. Als wir auf die Bedeutung zu sprechen kommen, wird nicht mehr gelacht. Stefanie hat diese Geschichte noch nie jemandem erzählt.
Das Zeichen bedeute «Tod». Nach ihrer ersten Rückenoperation mit 18 Jahren durchlebte Stefanie eine harte Zeit, sie setzte sich mit dem Thema Tod auseinander. Mit 13 Jahren habe sie innert kurzer Zeit alle ihre Grosseltern verloren, mit 16 Jahren wollte sie Bestatterin werden. Für sie sei der Tod keine Bestrafung, er sei Teil des Lebens.
«Ich kenne niemanden, der überlebt hat», sagt sie und weiter: «Gewisse Sachen müssen gehen, damit neue kommen können». Weil sie aber wisse, dass für gewisse Leute der Tod sehr schlimm sei, sage sie jeweils, dieses chinesische Zeichen stehe für Hoffnung. Sonst klinge es dermassen dramatisch, und das sei es ja für sie nicht.
Lester, der imaginäre Freund von Stefanie
Das Monster mit den spitzen Zähnen und nur einem Bein geht von der Achsel bis zur Hüfte auf der linken Körperhälfte von Stefanie. Das ist Lester, stellt Stefanie ihn mir vor, er war lange Zeit ihr imaginärer Freund. Mit 16 Jahren hatte sie einen Bandscheibenvorfall, ein Jahr später musste sie deswegen viele Medikamente nehmen. In dieser Zeit tat ihr ein Bein immer dermassen weh, dass sie sich wünschte, es einfach abschneiden zu können. Das sei wohl auch der Grund, dass Lester nur ein Bein habe.
Sie habe kein Selbstbewusstsein gehabt, sei böse zu sich selber gewesen. Stefanie hat sich in dieser Zeit weder cool noch hübsch gefunden, die Brüste seien zu klein und sie selber zu dick. In diesem Momenten sei Lester gekommen und habe gesagt: «Hör auf mit diesem Scheiss!» Er habe ihr geholfen, und darum wollte sie Lester als Tattoo immer bei sich haben.
Ende gut, alles gut
Ob sie denn heute zufrieden sei mit sich selber? Sie schaut mich an. Ihre Augen lachen. Sie nickt. «Ja, ich habe an mir gearbeitet und gemerkt, dass es mehr gibt als hübsch zu sein oder grosse Brüste zu haben. Ein Teil in mir will genauso sein, wie er ist, und ich habe mich gern. Wirklich, ich mag mich sehr.»