Der freiwillige Markt für CO₂-Zertifikate und Klimakompensation ist ein Milliardengeschäft. Ein Geschäft, das zunehmend in Kritik gerät. Bei vielen Projekten, die durch Klimazertifikate finanziert sind, muss ernsthaft daran gezweifelt werden, dass sie wirklich so viel für den Klimaschutz bringen, wie den Käuferinnen und Käufern versprochen wird.
Nur zwölf Prozent der verkauften CO₂-Zertifikate funktionieren
Eine Studie der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Universität Cambridge kommt zum Ergebnis, dass gerade mal zwölf Prozent der verkauften Kompensationszertifikate zu tatsächlichen Emissionsreduktionen führen. Für die Studie wurden alle verfügbaren Studien zur CO₂-Kompensation zusammengefasst und ausgewertet. Die ausgewerteten Studien umfassten insgesamt rund 2000 Klimaschutzprojekte.
Häufig würden zum Beispiel Waldschutzprojekte nicht funktionieren, so Benedict Propst, der an der Studie für die ETH Zürich beteiligt war. Waldschutzprojekte haben zum Ziel, bestehenden Wald zu schützen. Doch oft würden Waldstücke in Projekte mit aufgenommen, die gar nicht von einer möglichen Rodung bedroht seien. Dass dies zu einem überschätzten Nutzen führen kann, zeigten auch bereits vertiefte Recherchen von SRF.
Auch sogenannte «Kochofen-Projekte» würden oft nicht den versprochenen Nutzen fürs Klima erzielen, so Propst. Oft sei es so, dass zusätzlich zu neuen, effizienten Kochöfen weiterhin und parallel dazu die alten Modelle im Einsatz wären – und dass so kein CO₂ eingespart werde.
Beim Grossteil der Fälle glaube ich nicht, dass böser Wille dahintersteckt.
«Ich glaube, dass die meisten Unternehmen, die in diesem Sektor aktiv sind, gute Intentionen haben, und ich glaube beim Grossteil der Fälle nicht, dass böser Wille dahintersteckt», so Propst. Doch es sei enorm schwierig, Projekte aufzusetzen, die effektiv zu einer CO₂-Reduktion führen würden und dies dann auch sicherzustellen. Komme dazu, dass beispielsweise Waldschutzprojekte oftmals an Orten durchgeführt würden, die schlecht erreichbar und schwer kontrollierbar sind.
Eines der grössten CO₂-Kompensationsprojekte der Welt befindet sich in einem abgelegenen Gebiet in Simbabwe – einem Land, das mit grassierender Korruption zu kämpfen hat. Im Antikorruptionsindex von 2022 belegte Simbabwe Platz 157 von 180 untersuchten Staaten.
Weniger wäre mehr
Mittlerweile müsse das Versprechen vieler Kompensationsprojekte, Klimaneutralität zu ermöglichen, angezweifelt werden, resümiert die ETH Zürich. Benedict Propst schlägt Lösungen vor, um der Problematik zu begegnen: Wichtig sei, längerfristig von «Vermeidungsprojekten» wegzukommen und vermehrt auf Projekte zu setzen, die den Ansatz der CO₂-Entnahme verfolgen würden. Also Projekte, die sich auf die direkte Entnahme von CO₂ aus der Luft konzentrieren.
Propst nennt ein Beispiel: Landwirtschaftliche Abfälle können zu Pflanzenkohle weiterverarbeitet werden und speichern so langfristig CO₂. Solche Projekte seien zwar zurzeit noch sehr teuer, aber würden besser halten, was sie versprechen, so Propst.
Man müsse sich aber auch bewusst sein, dass CO₂-Kompensation lediglich die letzte Meile auf dem Weg zu «Netto Null» sei – den Löwenanteil müssten Unternehmen aus eigener Kraft leisten und zunehmend weniger Emissionen verursachen.