Mit «Memento Mori» releasen Depeche Mode am 24. März ihr erstes Album seit dem plötzlichen Tod von Gründungsmitglied Andy Fletcher (60) vor einem knappen Jahr. Die englische Synthpop-Institution besteht seither aus Frontmann Dave Gahan (60) sowie Bandhirn Martin Gore (61), das Trio ist zum Duo geschrumpft. So tragisch der Grund für die neue Zusammensetzung ist, so gross ist auch die Chance, die sie mit sich bringt.
Denn zwischen den dreien herrschte ein Meinungs- und Macht-Ungleichgewicht, weswegen Gahan oft den kreativen Kürzeren zog und sich als Songwriter nie so sehr einbringen konnte, wie er es gerne getan hätte. Das erlebte der Thurgauer Produzent Kurt Uenala hautnah mit. Der 52-Jährige werkelte mit den Briten an den drei Platten vor «Memento Mori», also «Sounds of the Universe» (2009), «Delta Machine» (2013) und «Spirit» (2017).
«Dave stand immer etwas ausserhalb»
«Im Studio flogen oft die Fetzen und Fletch war dabei die Pufferzone», sagt Uenala in der aktuellen Folge des SRF-3-Podcasts Sounds! Story, «aber bei vielen Entscheidungen stellte er sich eher auf Martins Seite. Dave stand immer etwas ausserhalb» – dafür natürlich mehr im Rampenlicht. Die festgefahrenen Bandstrukturen aufzubrechen vermochte der Schweizer zwar nicht, aber er konnte ein kreativer Sparringpartner für Dave sein.
Aus der Zusammenarbeit entstanden nicht nur einige Depeche-Mode-Stücke (unter anderem «Should Be Higher»), Gahan ist auch auf Uenalas Releases zu hören – 2022 erschien ein gemeinsames Ambient-Projekt. Ausserdem gehörte der Thurgauer als Soundingenieur zur Studio-Crew. Doch wie kam er überhaupt dazu, mit einer der grössten Synthie-Bands des Planeten zusammenzuspannen?
Mit dem Superstar unterm Regenschirm
Um 2007 herum suchte Dave Gahan in seiner Wahlheimat New York City nach einem Produzenten, der mit ihm ein paar Demos für ein neues Depeche-Mode-Album aufnimmt. Und wurde beim damals im Big Apple lebenden Kurt Uenala fündig. «Um 11 Uhr klopfte ich an die Studiotür, Dave machte auf, wir wollten aufnehmen und merkten, dass wir nur einen Stuhl hatten», erzählt der Schweizer über die erste Begegnung mit dem Sänger und Frontmann.
«Es regnete und wir hatten nur einen Schirm, also haben wir uns unter diesen gezwängt und auf den Weg nach Chinatown gemacht, weil ich dort einen Laden kannte, der Bürostühle verkauft. Für mich als Depeche-Mode-Fan war das ein totaler Trip.»
Zurück im Studio habe Dave beim Zusammenschrauben geholfen und sogar den Abfall rausgebracht. «Die meisten Stars hätten das niemals gemacht», so Uenala, «aber bei ihm hiess es einfach ‹of course, no problem› – so easy-going ist er.»
Mittlerweile lebt der Schweizer in Island. Im April hat er vor, rüber nach New York zu jetten, um im Madison Square Garden seine Freunde Dave Gahan und Martin Gore zu beklatschen. Dave, der bei Depeche Mode nun mehr als Songschreiber eingebunden ist und Martin, der jetzt weniger in Daves Schatten steht als früher.
In der neuen Folge des Sounds!-Story-Podcasts (ganz oben in diesem Artikel!) erzählen Gahan und Gore, wie die Musik ihres neuen Albums über die Trauer und den Verlust ihres Bandkollegen hinweghalf. Und MTV-Koryphäe und Depeche-Mode-Fan Markus Kavka erläutert die komplizierte Freundschaft zwischen den beiden Musikern.