Horrorfilme spiegeln die Ängste ihrer Zeit. Die mutierte Riesenechse «Godzilla» (1954) ist das fleischgewordene Trauma der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die «Saw»-Reihe (ab 2004) rückt Themen wie Überwachung, Verlust von moralischen Werten und Konsumismus ins Zentrum. So wie Horrorfilme auf die Zeit reagieren, hat sich auch ihre Musik gewandelt.
Nosferatu (1922)
Stummfilme waren nicht stumm, sondern wurden von Orchestermusik untermalt. Bei «Nosferatu» kündigen zwölf Glockenschläge und langgezogene Streicherklänge das Übel an. Fun Fact: Der Schauspieler, der den etwas gar verschupft wirkenden Nosferatu spielt, heisst Max Schreck.
King Kong (1933)
Das Budget war praktisch aufgebraucht nach den Dreharbeiten zu «King Kong». Darum wollten die Studiobosse nicht zusätzliches Geld für die Komposition von Musik aufwerfen. Doch der Co-Regisseur war davon überzeugt, dass ausgeklügelte Filmmusik nötig sei, um den Streifen zum Kassenschlager zu machen. Darum bezahlte er einen Teil aus seiner eigenen Tasche. So wurde «King Kong» zum ersten Film mit vollständig durchkomponiertem Soundtrack und zur Blaupause für alle nachfolgenden Film-Scores.
Psycho (1960)
Die spitzen, scharfen Geigenklänge aus der Duschszene in Alfred Hitchcocks «Psycho» sind ins Popkultur-Gedächtnis eingegangen. Dabei entsprang die Musik eigentlich einer Notlösung. Weil das Geld fehlte für ein grosses Orchester, stand nur ein kleines Streicherensemble zur Verfügung. An die Stelle von musikalischem Pomp rückte akzentuierte Dissonanz.
Der Exorzist (1973)
Was «Psycho» musikalisch anstiess, trieb «Der Exorzist» auf die Spitze. Im Stück «Polymorphia» sorgen 48 Streichinstrumente für anhaltende Spannung und permanente Angst. Die Musik wurde später auch für Stanley Kubricks «The Shining» (1980) verwendet.
Der weisse Hai (1975)
Gerade mal zwei Töne reichten als musikalisches Motiv, um das Monster aus der Tiefe anzukündigen und einem gehörig die Badeferien zu versauen.
Das Omen (1976)
Gesang, der sakral anmutet, macht sich immer gut in Horrorfilmen, insbesondere dann, wenn's einem Priester an den Kragen geht.
Halloween (1978)
Bei der Testvorführung fiel die «Slasher»-Geschichte rund um Serienmörder Michael Myers durch. Erst als John Carpenter dem Filmsoundtrack ein repetitives, monotones, nervenaufreibendes Uhrticken hinzufügte, war das Horrorpublikum zufrieden.
A Nightmare on Elm Street (1984)
Kinder gelten als Inbegriff von Unschuld und Harmlosigkeit. Darum ist es besonders gruslig, wenn sie zu Bösewichten werden. Oder wenn Klänge, die mit Kindern in Verbindung gebracht werden, verfremdet werden. Dieses Prinzip machte sich Wes Craven mit dem Abzählreim zu Freddy Krueger zu Nutze.
The Blair Witch Project (1999)
Nichts macht mehr Angst als die Realität. Oder das, was uns als Realität verkauft wird. «The Blair Witch Project» gab sich als Dokumentarfilm aus und baute Spannung auf durch Geräusche: Knacken im Wald, Flüstern in der Dunkelheit, Verzweiflung der Figuren. Musik hätte die Realitäts-Illusion durchbrochen, darum gab's keine.
Scream (1996)
Mit «Scream» schuf Wes Craven einen Horrorfilm über Horrorfilme und deren Umgang mit Musik. Der Killer wird mit Leitmotiv angekündigt, bei einer Verfolgung gibt's schnelle dissonante Klänge und wenn's leise wird, steht eine Bedrohung bevor. Oder auch nicht. Wes Craven lässt das Publikum nämlich gerne ins Leere laufen.