Ich bin kein Swiftie. Zwar habe ich grossen Respekt für das Schaffen von Taylor Swift, aber der Hype um ihre Person geht mir auf die Nerven. Und bedingungsloses Fantum, wie es die Swifties zelebrieren, ist mir suspekt. Darum bietet das erste Schweizer Konzert des Megastars beste Gelegenheit zu überprüfen, was dran ist am Hype.
Glitzeroutfits und Cowboyboots
Gegen die sengende Hitze verteilen die Veranstalter Wasser und Schutzdecken. Nichtsdestotrotz gibt es den einen oder anderen üblen Sonnenbrand zu begutachten und das Sanitätszelt hat mit Ohnmächtigen zu tun. Im Publikum sind Frauen ganz klar in der Überzahl. Sie sind mehrheitlich sehr jung, viele tragen Glitzer-Outfit und Cowboyboots.
Um 19 Uhr ist es dann so weit: Taylor Swift betritt die Bühne. Im Stadion erklingt hysterisches Geschrei und ich fühle mich instant fehl am Platz.
Tief in die Trickkiste gegriffen
Doch das ändert sich bald, denn schnell wird klar: Was Taylor Swift hier veranstaltet, ist nicht einfach nur ein Konzert, sondern ein Lehrstück in Sachen Entertainment. Es folgt eine 3.5-stündige Show, die bis ins kleinste Detail durchorchestriert ist.
Dabei wird auch tief in die Trickkiste gegriffen: Rauch, Pyrotechnik, leuchtende Fahrräder und ein eingebauter Lift auf einem Laufsteg, der sich weit in den Publikumsraum hinaus erstreckt. 15 Tänzer und Tänzerinnen bespielen zusammen mit Swift die ganze Bühne. Manchmal erinnert das ganze schon fast an ein Musical.
Palette an Rollen
Auf ihrer «The Eras Tour» singt sich die 34-jährige Swift quer durch ihr Werk. Sie spielt Songs aus der frühen Phase, die Country- und Folk-Einschlag haben. Glitzernde Stampfer sind ebenso dabei, wie melancholische Heartbreak-Songs. Swift beherrscht die unterschiedlichen Rollen perfekt: Mal ist sie grosse Diva, mal freche Göre, dann verträumtes Mädchen oder bossy Geschäftsfrau. Sie bietet grosses Showbusiness-Kino, kreiert gleichzeitig aber auch persönliche und intime Momente. Etwa wenn sie eine 10-minütige Version von «All to well» anstimmt.
Monsterprogramm
Swift legt einen Charme an den Tag, der unangestrengt wirkt. Manchmal wirkt sie auch etwas linkisch, was sie sympathisch erscheinen lässt. Es ist beeindruckend, wie sie das Monsterprogramm, das 45 (!) Songs umfasst, mit scheinbarer Leichtigkeit absolviert. Ebenso die Tanztruppe, Band und Backgroundsängerinnen.
Doch das Bühnensetting macht klar, wessen Show das hier ist: Obwohl die Bühne enorm breit ist, wurden die Musikerinnen und Musiker links und rechts an die Ränder verfrachtet, damit der Blick auf die überdimensionale Leinwand frei bleibt. Dort ist meistens Taylor Swift in Grossformat zu sehen.
«Mädchenmusik»
Rings um mich herum hängen viele an Taylors Lippen und singen Wort für Wort mit. An den Handgelenken blinken Bändel im Takt, die beim Eingang abgegeben wurden. Vor dem Klo treffe ich zwei Väter, die wegen ihrer Töchter ins Stadion gekommen sind. «Mädchenmusik» grummelt der eine. Der andere ist sichtlich müde und möchte nach Hause.
Das Konzert im Letzigrund bot prima Unterhaltung und ja: Ich hab mitgeklatscht. Werde ich jetzt deswegen zur Swiftie? Wohl kaum. Dafür ist mir die Musik dann doch zu kantenlos und glatt. So wie es der Megastar Taylor Swift auch ist. Das wird wahrscheinlich auch der Grund sein, warum sich so viele für sie begeistern. Sie eckt kaum an und bietet ein Stück perfekte heile Welt. Zumindest für drei Stunden und 15 Minuten.