Das Kernproblem der textlichen Entgleisungen, liefert allen voran das Genre, das sprachlich lange Zeit spannend war – der Rap. Aber Rap hat ein Problem. Er will partout nicht akzeptieren, dass der Tabubruch als reizvolle Kunstform ausgedient hat.
Wieso sollte er auch. Schliesslich funktionieren Tabubrüche kommerziell besser denn je. Um heutzutage Tabus zu brechen, muss sich ein Rapper oder eine Rapperin aber so weit aus dem Fenster lehnen, dass in vielen Fällen unklar bleibt, wo diese Stimme mit ihren Füssen tatsächlich steht.
Die Bitch ist okay
Auch wenn es herausfordernder wäre, starke Texte ohne entwürdigende Elemente abzuliefern, müssen solche Ausdrücke Platz haben und eingesetzt werden dürfen. Die «Bitch» ist längst salonfähig. Nicht zuletzt, weil Missy Elliott schon vor 20 Jahren Pionierarbeit leistete, um diesen Begriff positiv zu besetzen. Das ist aus heutiger Sicht ebenso fragwürdig, wie Pazifisten, die in Camouflage-Klamotten rumlatschen, um für den Frieden in den Krieg zu ziehen.
Schliesslich wissen wir seit einer halben Ewigkeit, dass sich Frieden nicht erkriegen lässt. Und die «Bitch»? Die reicht heute längst nicht mehr aus, um für einen textlichen Aufreger zu sorgen. Dafür muss schon stärkeres Geschütz aufgefahren werden.
Die Bitch muss weg
Ich höre sie jetzt schon. Die Stimmen, die mir erklären wollen, ich hätte Rap nicht verstanden. Die Stimmen, die es sich gemütlich eingerichtet haben in ihrem Provokations-Genre. Da, wo alles nicht wirklich so gemeint sei.
Die Zeiten, in denen man jede Grenzüberschreitung, jede menschenverachtende, frauenfeindliche und diskriminierende Textpassage mit dem Satire-Etikett ausstattet, um sich dem Diskurs zu entziehen – sollten aber eigentlich vorbei sein.
Der Berner Rapper Nativ spricht die Problematik in seinem Song «Jigeen» an: «Mängisch bin i so reschpäktlos – me muess sech bewyse bi de Homies, säg ihre, dass sie e Hoe isch, obwou si eigentlech mi Troum isch».
Provozieren der Provokation wegen ist Kinderkram
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Provokationen heute nur noch selten mit einem Anliegen verbunden sind. Ihnen fehlt also der Hintergrund. Grenzen werden überschritten, um Grenzen zu überschreiten. Und wer Grenzen überschreiten will, die für einen Aufreger sorgen, landet schnell in unangenehmen Gefilden.
Aus diesem Grund kehrte Ben Salomo, Berliner Rapper und Gründer der deutschen Battle-Rap-Veranstaltung «Rap am Mittwoch», der Szene nach 20 Jahren den Rücken. «Innerhalb der Rapszene entsteht zu dieser Problematik keine Diskussion» gab er in der Abendshow des Berliner Senders RBB zu Protokoll.
Radiostationen können nur falsch handeln
Wie in den letzten Jahren Songs und Alben von Kollegah und Farid Bang, werden auch 2019 wieder Songs und Alben kommerziell erfolgreich werden, die Radiostationen vor die schwierige Frage stellt: Spielen oder nicht spielen?
Zensur ist uncool. Songs mit menschenverachtenden, frauenfeindlichen und diskriminierenden Texten eine Plattform zu bieten aber ebenso. Und egal wie man sich entscheidet – es fühlt sich nicht gut an.
Also. Wohin mit der «Bitch» im Jahr 2019?