Ich wurde zwei Jahre nach Matters Tod geboren. Der Liedermacher ist also definitiv kein Künstler meiner Generation. Entdeckt habe ich seine Lieder in der Plattensammlung meiner Eltern. Losgelassen haben mich die Texte bis heute nicht. Die entdeckten Kinderlieder entwickelten sich - parallel zu meinem Leben - zu Liedern für Erwachsene, womit wir bereits bei einer unglaublichen Stärke von Mani Matters Schaffen sind.
Ein Liedtext begleitet mich, seit ich einigermassen denken kann, ganz besonders:
Dene wos guet geit - giengs besser
Giengs dene besser - wos weniger guet geit
Was aber nid geit - ohni dass's dene
Weniger guet geit - wos guet geit
Drum geit weni - für dass es dene
Besser geit - wos weniger guet geit
Und drum geits o - dene nid besser
Wos guet geit
«Dene wos guet geit» ist der Song, der mir tagtäglich die Welt erklärt. Es ist der Song, der mich daran erinnert, dass ich mich nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Es ist ein Song, der mich unendlich traurig macht. Ein Song, der mich glücklich macht, weil es einer geschafft hat, in nicht zu unterbietender Reduktion, etwas abzuhandeln, ohne den Einspruch in Kauf nehmen zu müssen, dass das alles nicht so einfach sei. Denn: Es ist so einfach. Wie einfach es hingegen für Matter war, diesen Text zu entwickeln, entzieht sich meiner Kenntnis.
Der Zweifler
Was Mani Matter des Weiteren auszeichnete, war seine kaum vorhandene Selbstzufriedenheit. Er feilte intensiv an seinen Texten. Ich behaupte: Von Matter gibt es keine einzige überflüssige Strophe – ja – nicht mal ein Wort, dass man als blosses Füllwort abkanzeln könnte. Gepatzt hat er dann glücklicherweise trotzdem: «Was unterscheidet d’Mönsche vom Schimpans – S’isch nid di glatti Hut dr fählend Schwanz» singt Matter im Song «Hemmige». Schimpansen haben keinen Schwanz.
Hemmungen, diesen inhaltlichen Detail-Fehler zu übernehmen, hatte Stephan Eicher richtigerweise nicht, als er Anfang der 90er Jahre mit seiner Version des Chansons einen Hit landete.
Braucht es Coverversionen von Matter-Songs?
Die zahlreichen Neuinterpretationen von Matter-Songs leisten sicher einen nicht zu unterschätzenden Dienst an der Popularität von Matters Nachlass. Meiner Meinung nach haben es jedoch nur ein paar wenige geschafft, diese Texte wirkungsvoll in eine neue Form zu bringen. Matter war in erster Linie Texter und nicht Musiker. Die Musik war das Trägermedium für seinen dichterischen Output und stark an den Stil französischer Chansonniers angelehnt.
Bei Matter empfiehlt es sich, dem Text so viel Raum wie möglich zu bieten. Viele der entstandenen Coverversionen orientieren sich jedoch stark an der musikalischen Vorlage und scheitern am Versuch, ein Chanson in einen Pop-Song mit Bandbesetzung zu verwandeln. Künstlern wie etwa einem Stephan Eicher, der eine natürliche Nähe zum französischen Chanson mitbringt, kann das gelingen. Grundsätzlich ist dies aber ein eher heikles Vorgehen.
Einen anderen Ansatz wählte der Berner Resli Burri. Ihm gelang es, Matters «Boxmätsch» in eine andere Zeit zu transferieren – ohne sich den Vorwurf des blossen Aufwärmens gefallen lassen zu müssen.
Oder aber man macht es so wie jüngst der Berner Rapper Greis. Er erschuf mit seinem Nebenprojekt Notie Wümié eine wunderbare Neuinterpretation des Matter-Songs «Die Strass, won i dran wohne». Hier übernahm das Duo die Melodieführung des Refrains. Eine eigene Note setzte Greis in den Strophen, indem er äusserst clever Textfragmente aus dem Original zupfte und sie in seine Art, eine Geschichte zu erzählen, eingeflochten hat.