Vom 9. bis 13. Mai 2017 wird in der ukrainischen Hauptstadt Kiew der 62. Eurovision Song Contest ausgetragen. Der alljährliche Halligalli-Event der Musikindustrie erscheint mir seit Jahren wie eine riesige, unbemannte Rakete, welche für eine Mondumrundung ins All geschossen wird. Ein obsoletes Ereignis, welches durch Heerscharen von Medien begleitet und von Millionen von Zuschauern verfolgt wird.
Bin ich vom Mars?
Ich möchte selbstverständlich niemandem die Freude am ESC vermiesen. Ich akzeptiere, dass diese Veranstaltung für ganz viele Leute eine gewisse Wichtigkeit hat. Ich verstehe es aber nicht. Und das hat seine Gründe.
Der Song spielt höchstens eine Nebenrolle
Jajaja. Es gab einmal Zeiten, da stand der Song, die Komposition bei diesem Wettbewerb tatsächlich im Zentrum. Damals war ich aber noch nicht auf dieser Welt. Oder ich war noch in einer Phase, in welcher ich nicht verstanden habe und nicht verstehen wollte, was das Wort «Showbusiness» eigentlich bedeutet.
Heute bin ich toleranter. Ich weiss, dass die Show zur Kunst dazu gehört. Ich weiss, dass der Umgang einer Helene Fischer mit dem Showgeschäft viel näher bei dem eines Bob Dylans liegt, als mir lieb ist. Sprich: Ich bin mir bewusst, dass ein für mich guter und wertvoller Song auf ebenso viel Scheinwerferlicht und mediale Knallfroschaktionen angewiesen ist, um eine Öffentlichkeit zu erreichen, wie der verlogenste Reissbrettsong des Jahrtausends.
Damit kann ich inzwischen einigermassen leben. Beim ESC wird mein für den Popsong schlagendes Herz aber malträtiert.
Selbst gute Songs können durch den ESC zerstört werden
So wenig ich den Lovebugs (2009) und so viel ich Michael von der Heide (2010) Chancen eingeräumt habe, mit ihrem Auftritt zu punkten – passiert ist in beiden Fällen dasselbe: Ein guter Song wurde als gescheiterter Schweizer ESC-Beitrag abgestempelt.
Eitle Songs sind Vollidioten
Oben erwähnte Songs sind gut. Zweifelsohne. Doch sie wollten besser sein. Sie wollten den ESC gewinnen. Sie haben sich darauf eingelassen, dass sie gewinnen oder verlieren können, diese Vollidioten. Sie haben vergessen, dass sie Songs sind. Songs messen sich nicht. Songs sind. Sie sind so, wie sie sind. Als was sie wahrgenommen werden, muss ihnen egal sein. Sorry. Die Eitelkeit eines Songs kann zwar mit Erfolg belohnt werden. Zur Steigerung der Qualität, hilft diese Veranlagung aber nicht.
Der Klick auf die ESC-Taste
Dieser Blog-Eintrag ist natürlich total inkonsequent. Habe ich dafür doch auf der Tastatur rumgehämmert, ohne ein einziges Mal die ESC-Taste zu drücken. Ich musste sie aber einfach platzieren. Diese sanften Kopfnüsse für den Anlass, der meinen geliebten Pop-Song Jahr für Jahr mit Füssen tritt. Dieses Show-Monster, das Songs verprügelt, Künstler verbrennt und Musik-Fans foltert.
So. Jetzt hau ich ab. Durch die Hintertür. Ich flüchte. Ich klicke auf die Taste oben links. Da steht ESC drauf. Die bringt mich weg von da.