«Ich bezahle euch eine Runde im Rainbow Bar & Grill (Lemmy Kilmisters Stammbar) inklusive Girls, wenn ihr euch Gotthard nennt.» Mit solchen Zitaten impft Chris von Rohr die Gotthard-Story mit kleinen Dosen Rock’n’Roll. Das kann er, der prominenteste Solothurner der Gegenwart.
Leider lässt Filmemacher Kevin Merz offen, wie teuer von Rohr der Namenwechsel der Band (zuvor hiessen Gotthard «Krak») letztendlich zu stehen kam. Klar ist aber: Ohne von Rohr wäre dieser Film nicht, was er ist. Genauso wie Gotthard ohne von Rohr nicht die Band geworden wäre, die sie war.
Der Dompteur
«Gotthard – One Life, One Soul» erzählt die Geschichte einer Tessiner Band mit grossen Träumen. Um diese in die Realität umzusetzen, engagierte man Chris von Rohr. Im Eiskunstlaufmutter-Stil peitschte dieser «seine Buben» zum Erfolg.
Chris von Rohr erzählt leidenschaftlich von seiner Rolle als Gotthard-Architekt. Er weiss, wie man Geschichten erzählt. Er weiss, wie man Statements pfeffert. Und so bleibt einem die Gotthard-Dok, auch ohne Dauerpräsenz des Krokus-Bassisten, irgendwie als grosse Chris von Rohr-Show in Erinnerung.
Vom 2010 verstorbenen Sänger Steve Lee gibt es in 95 Minuten Film kein Zitat, an welches ich mich erinnern könnte. Stimmt es also, dass Lee zwar mit der Stimme eines Rockstars gesegnet war – ansonsten aber nicht in die Rolle des Frontmanns einer Rockband passte? Der Film bejaht diese Frage – allerdings ohne sie gross zu behandeln.
Der einzige Protagonist dieser Dok, der von Rohr in Sachen Attitüde das Wasser reichen kann, ist Gotthard-Gitarrist Leo Leoni.
Das geschundene Rocker-Herz
Leo Leoni ist mein Held im Film «Gotthard – One Life, One Soul». Wenn er die lange «D-Frosted»-Unplugged-Tour mit den Worten «Ich habe gelitten wie ein Hund» kommentiert, wird klar, wie sehr er für seinen Bubentraum und seine Musik lebte und lebt. Leoni wollte mit eingesteckter Gitarre vor grossen Boxentürmen stehen und rocken. Es fiel ihm schwer, sein Glück durch den kommerziellen Erfolg der Band zu definieren.
Mit seinem neuen Projekt, dem Gotthard-Seitenwagen «CoreLeoni», frönt er nun dem Sound, den er ursprünglich mit Gotthard durchziehen wollte. Dabei handelt es sich um Songs der ersten drei Gotthard-Alben. Auf den Aufnahmen singt der aktuelle Rainbow-Sänger Ronnie Romero.
«Gotthard – One Life, One Soul» ist ein Band-Film
Wer vom Gotthard-Film Boulevard-Storys erwartet, wird enttäuscht. Sogar der tragische Tod von Steve Lee wird nicht als People-Ereignis ausgeschlachtet. «Gotthard – One Life, One Soul» ist ein Musik- und Band-Film. Im Zentrum steht die Musik von Gotthard, die Band und ihre Geschichte. Zwar hat die Dok streckenweise den Charakter eines Gotthard-Werbespots. Trotzdem ist es mehr als ein Film, der nur für Gotthard-Fans funktioniert.
Es ist der Film einer Band, die über eine lange Zeit sehr viele Menschen faszinierte. Es ist ein Film über einen Traum, der für einzelne Bandmitglieder zum Alptraum wurde. Es ist ein Film über Freundschaften und Brüche. Über Erfolg und Verlust. Über den Versuch einer Tessiner Band, an alte Zeiten anzuknüpfen – auch wenn diese unerreichbar scheinen.