Irgendwann wird sich die Boyband One Direction offiziell auflösen. Irgendwann wird dann auch die Reunion kommen. Aber nur einer dieser Band wird uns wirklich in Erinnerung bleiben: Harry Styles.
Musik für pubertierende Teenager...oder?
Etwas in mir hat sich zu Beginn gesträubt, mich mit dem 23-Jährigen Schönling-Bubi und heimlichen Star von One Direction auf musikalischer Ebene auseinanderzusetzten.
Ich anerkenne den immensen Erfolg, welchen er mit seiner Gruppe feierte und verstehe die erfolgreiche Formel ihrer nicht schlecht gemachten Popsongs, die in meinen Ohren aber nun mal seelenlose Fliessband-Ware für pubertierenden Teenager sind.
Unpeinliche Powerballade
Auftritt erste Single: «Sign Of The Times». Eine Prince-Gedenk-Single zu dessen Todestag? Willst du mich verarschen? Nein, will er nicht. «Sign Of The Times» ist schlichtweg die unpeinlichste Powerballade seit 1997 – damals war das «Angels», der Mann dahinter ein gewisser Robbie Williams, gerade aus der damals erfolgreichsten Boyband der Welt ausgestiegen.
Der Rockstar für deine Eltern
Justin Timberlake (*NSYNC), Robbie Williams (Take That) und Ronan Keating (Boyzone) sind Beispiele für erfolgreiche Solo-Karrieren, welche jene ihrer einstigen Hauptband überstrahlen. Und ich bin mir sicher: Harry Styles wird der nächste dieser Art sein. Zwei Faktoren spielen hier eine Rolle:
- Wie schon Robbie Williams mit Guy Chambers harmoniert Styles unglaublich gut mit seinem Co-Songwriter und Produzenten Jeff Bhasker. Der Mann steckt hinter den letzten Hit-Platten von Mark Ronson und Bruno Mars. Styles und Bhasker haben genau verstanden, wohin der Weg gehen soll und machen ihre Arbeit exzellent.
- Im Gegensatz zu Stars wie Justin Bieber, Miley Cyrus und Selena Gomez (oder auch seine One-Direction-Weggefährten) folgt Harry Styles nicht der Formel: «Less family friendly, more sexy». Er will nicht der nächste grosse Popstar werden. Harry Styles will ein Rockstar sein. Und zwar kein Rockstar für kleine Mädchen, sondern für deine Eltern!
Bowie, Beck und Beatles
Das selbstbenannte Debüt des Engländers bietet eine Mischung aus dem Besten, was die 60er und 70er zu bieten hatten. Gleich mehrfach grüsst Bowie um die Ecke und auch aktuelle Künstler wie Beck oder Ryan Adams klingen hier durch.
Mir ist bewusst, dass dies alles nichts über die Eigenständigkeit eines Harry Styles aussagt. Zu klar sind die Schablonen und Vorbilder, die hier angewendet wurden. Manchmal wollen die Songs inhaltlich mehr Gewicht tragen, als ein 23-Jähriger Millionär mit seinem Lebenslauf geben kann.
Aber ich mag den Mut, sich eben nicht dem Offensichtlichen zu ergeben, sondern auch eine Folk-inspirierte Gitarrenballade à la Paul Simon oder Fleet Foxes zu schreiben, die weder kalkuliert noch billig wirkt.
Begeisterte Kommentare
Hochgezogene Augenbrauen. Nasenrümpfen. Ungläubige Blicke. Würde Harry Styles nicht mit One Direction assoziiert, das alles würde nicht passieren. Du könntest dieses Album in die Plattensammlung deines Vaters schmuggeln – er würde anerkennend nicken. (Nicht umsonst stammen ein Grossteil der begeisterten YouTube-Kommentare von Eltern, welche über ihre Kinder auf Styles aufmerksam wurden).
Es war dumm von mir, mich gegen diese Platte zu sträuben. Dieser Harry Styles hat mich auf dem falschen Fuss erwischt. Der heimliche Leader und Star von One Direction hat mit dieser Platte gerade das Ende seiner Band besiegelt. Und sich selbst als zukünftiger Rockstar etabliert – nicht nur für deine Eltern.
Jeder hat eine zweite Chance verdient. Schön, wenn diese, wie hier, auch genutzt wird.