Der Call beginnt. «iPhone (339)» hat den Wartebereich betreten. Es ruckelt. Ein überdimensionales Feuerzeug wird sichtbar. Dann Josh Tillman alias Father John Misty, im Schneidersitz in einem Garten an der kalifornischen Küste. Es folgen Begrüssungsfloskeln. «Excited» und «Yeah».
Seit über zehn Jahren kommentiert Father John Misty mit seinen Songs, was uns als Menschen und Gesellschaft ausmacht. Irgendwo zwischen Frank Sinatra und Leonard Cohen. Trotz dieser Grandesse: Mehr Dude als er ist wohl nur Jeff «Big Lebowski» Bridges. Bart. Haare. Tank Top. Schlafzimmerblick. Alles da. Nur die Pinzette als Rauchhilfe fehlt.
Ist das CBD? «Nein, das Zeugs vertrage ich nicht.»
Es muss gut sein
Sein sechstes Album heisst «Mahashmashana». Was nach Yoga-Pose klingt, bedeutet in Sanskrit «Begräbnisstätte». Das Sterbebett des Universums. «Die Songs drehen sich alle um die Konzepte des Alterns und der Wiedergeburt», sagt er und schiebt nach: «Das ist mein bestes Album bisher.»
Behaupten sie alle. Diesmal dürfte es stimmen. «Mahashmashana» ist Schwarzmalerei, die Spass macht. So unverkrampft schreibt man erst, wenn man irgendwo angekommen ist. Nach seiner letzten Platte , die er als «selbstgefälligen Genuss-Akt» beschreibt, hatte er nur ein Ziel: «Dieses Album muss einfach richtig gut werden, damit die Leute nicht meinen, ich sei völlig abgehoben.»
Die Call-Zeit fliegt. Hundert Fragen vorbereitet, erst drei gestellt. Liegt auch an der schlechten Verbindung. Toll, dass ausgerechnet heute das Internet streikt.
Neues Team, neuer Spirit
Wie schreibt man etwas Gutes? Indem man mit Routinen bricht. «Mahashmashana» sei das erste Album, das er nicht allein, sondern zusammen mit einem der angesagtesten Produzenten Kaliforniens geschrieben habe. Drew Erickson, der mit seinen aufgeräumten Arrangements auch Lana-Del-Rey- oder Mitski-Songs vergoldet.
Ob seine Sätze tatsächlich so lange dauern oder ob die Zoom-Übertragung seine Sätze dehnt? Jedenfalls steht ihm das Ausschweifen gut. Father John Misty gibt den coolen Nihilisten.
Scarlett, Gainsbourg und die Viagra Boys
Mentale Erschöpfung, Vergänglichkeit, Hoffnungslosigkeit – spricht aus diesen Songthemen eine Midlife-Crisis? «Wenn du nicht in einer Krise steckst, worüber zum Teufel schreibst du dann?», fragt er und drückt seine Kippe aus.
«Dieser Call endet in 5 Minuten», heisst es auf dem Bildschirm. Shit. Krise. Wäre es ok, einen neuen Call-Link zu schicken? «Sure man!» Neuer Call. Er gibt mir noch zehn Minuten. Dann will er an der Küste spazieren gehen.
Durch seine Songs weht Popkultur. Da sägen Streicher a là «Melody Nelson» von Serge Gainsbourg. Auch Aktuelles wird zitiert: «She Cleans Up» ist inspiriert von den schwedischen Discopunks Viagra Boys und Scarlett Johanssons Abrechnung mit Männern im Film «Under the Skin». Da ist es wieder, das Sterbebett. «Es geht um die Frau als Quelle allen Lebens und gleichzeitig als Zerstörerin.»
Das Ende ist nah
Fast schon kitschig, dieser Moment, an dem Father John Misty über die Kamera hinweg aufs Meer hinausschaut. Ein Zeichen, dass unser Gespräch gleich endet.
«Wenn man es historisch betrachtet, bin ich ein Versager.» Eine Aussage, die man bei allen hinterfragen müsste, ausser sie stammt von ihm (oder Big Lebowski). «Ich will nicht so dramatisch sein, aber ‹Versager mit einem Traum› könnte der Titel meiner Memoiren sein.»