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Norient Mixtape – globaler Soundtrip durch Südasien
Aus Sounds! Mixtape vom 17.02.2023. Bild: zVg
abspielen. Laufzeit 57 Minuten 54 Sekunden.

Pop & Protest aus Südasien So wehrt sich Südasiens Musikszene gegen die Mächtigen

Von M.I.A. über Charli XCX bis Priya Ragu: Südasiens Diaspora funkelt im globalen Pop. Aber welche Art Pop entsteht aktuell in Südasien vor Ort? Musikforscher Thomas Burkhalter reiste zwei Monate lang durch Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka und Malediven und berichtete von rappenden Teebauern, singenden Pflanzen und Highspeed-Psy-Techno.

Thomas Burkhalter

Musikforscher

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Thomas Burkhalter ist Musikforscher und Gründer von Norient, einer global vernetzten Musikplattform aus Bern.

Website Norient

SRF: Wieso interessieren Sie sich für den Sound Südasiens?

Thomas Burkhalter: Vor zwanzig Jahren lebte ich als Journalist in London und bekam die «Asian Underground»-Welle mit. Ende der 1990er-Jahre vermengte sich indische Musik mit westlicher, elektronischer Musik und wurde zu einem Hype, der es teilweise bis in die Charts schaffte: Panjabi MC, Apache Indian oder Asian Dub Foundation brachten in ihrem Soundmix Ost und West zusammen. Zwanzig Jahre später wollte ich herausfinden, wie Südasien vor Ort klingt und was die dort lebenden Musikerinnen und Musiker umtreibt.

Was treibt sie um?

Einige experimentieren mit abgefahrenen Klängen, wie zum Beispiel Sultana Zana aus Bangladesch. Ihre Soundart basiert auf öko-akustischen Sounds von Pflanzen.

Andere wollen einen Welthit erschaffen. Den meisten geht es aber darum, Themen aufzugreifen, die in den Mainstream-Medien nicht besprochen werden. Letztlich versuchen sie mit ihrer Musik Gesellschaften zu verändern.

Wie klingt Musik, die Gesellschaften verändern will?

In Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, traf ich zum Beispiel auf OJ da Tamil Rapper. Eigentlich ist er ein Teebauer, der auch über die Teewirtschaft rappt. In seinen Tracks adressiert er die Schattenseiten der Kommerzialisierung und die unfairen Arbeitsbedingungen von Sri Lankas Teewirtschaft.

Wie erreichen solche Acts in Südasien ihr Publikum?

Hauptsächlich im Internet, fernab vom Radar der Mainstream-Medien in den Ländern. Für Musikerinnen und Musiker, die Herrschaftssysteme kritisieren, ist das auch besser so. Ein weiteres Beispiel ist Ahmer: Er lebt in Delhi, Indien, kommt ursprünglich aber aus Kaschmir. In seiner Musik verarbeitet er die politischen Konflikte Kaschmirs. Das ist heikel und mutig, gerade weil er in seinem Sound auch Elemente traditioneller Volksmusik aus der Region Kaschmir einbaut. Seine Musik verbindet auf subversive Weise Jung und Alt.

Lässt sich der Grundsound von Südasien beschreiben?

Nur annähernd: Einerseits dominieren diese hochfrequenten, kitschigen Gesänge in uns fremden Tonskalen. Andererseits gibt es aber auch die Anlehnung an internationale Trends, von Hip-Hop über Trap bis elektronischer Experimentalmusik.

Welches Treffen hat Sie am meisten überrascht?

Eindrücklich war das Treffen mit dem Künstler Fira in Malé, der Hauptstadt der Malediven.

In diesem Sound offenbart sich der Horror im Paradies.

Er lebt in dieser Stadt ohne Grünflächen im elften Stockwerk eines Hochhauses, kifft und produziert seinen Hardcore-Psy-Techno. In diesem Sound offenbart sich der Horror im Paradies. Sein Hochgeschwindigkeits-Techno reflektiert die Repression und die Abgründe der Feriendestination Malediven. Ein Sound, der verstört und fasziniert. Wer sich länger darauf einlässt, merkt, dass es da um die Suche nach kreativem Ausdruck geht, nicht um Eskapismus.

Weshalb sollte sich der Rest der Welt die Untergrund-Musik Südasiens anhören?

Südasien ist ein riesiger Subkontinent. Die südasiatische Untergrund-Musik ist ein wichtiger Teil des Aufbegehrens gegen die zunehmende Repression in diesen Ländern. Dieser Sound kämpft dagegen an, dass sich der Osten zu diktatorischen Blöcken verwandelt.

Das Gespräch führte Claudio Landolt.

SRF 3 Sounds!, 17.02.2023, 20:00 Uhr ; 

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