Die Bilder, die uns derzeit aus Israel und dem Gazastreifen erreichen, sind für viele kaum auszuhalten. Thomas von Grünigen, Publizistischer Leiter Ausland, über die Bildauswahl und den Umgang mit verstörenden Bildern beim Schweizer Fernsehen.
SRF: Woher stammen die Bilder, die wir täglich in den SRF-Sendungen wie der «Tagesschau» oder «10vor10» sehen?
Thomas von Grünigen: Wir bekommen rund um die Uhr Bilder aus aller Welt, derzeit viele aus dem Nahen Osten. Zum einen stammen sie von professionellen Bild- und Videoagenturen. Weiter verfolgen wir auch die sozialen Medien, wo Menschen ihre eigenen Videos veröffentlichen. Dort muss man aber besonders vorsichtig sein und prüfen, ob die Bilder echt sind und wirklich aus der betroffenen Region kommen.
Da sind viele brutale Szenen darunter, Dinge, die man eigentlich nicht sehen will. Wer sichtet dieses Material?
Das sind vor allem unsere Reporterinnen und Reporter hier in Zürich, die auf die Auslandberichterstattung spezialisiert sind. Sie entscheiden zusammen mit den Sendungsverantwortlichen, was tagesaktuell relevant ist. Involviert sind auch Video-Editorinnen, welche die Bilder zusammen mit den Reportern bearbeiten, sowie andere Mitarbeitende im Video- oder Onlinebereich. Sie alle sind häufig mit harten Bildern konfrontiert.
Was wird gezeigt, wo setzt das SRF Grenzen?
Das ist ein tägliches Abwägen. Einerseits müssen wir die Lage so zeigen, wie sie ist. Andererseits gibt es klare Grenzen des Zumutbaren. Da geht es auch darum, die Opfer zu schützen. Zum Beispiel zeigen wir in der Regel keine sterbenden oder toten Menschen. Das ist so in den publizistischen Leitlinien festgehalten. Aufgrund der Relevanz gibt’s aber Ausnahmefälle, in denen wir heikle Bilder trotzdem zeigen. Dann machen wir aber unter Umständen die Gesichter unkenntlich oder zeigen zum Beispiel nur Standbilder. Bei besonders heiklen Fällen entscheidet der Chef vom Dienst oder die Chefredaktion.
Wie belastend ist es für die Mitarbeitenden, die sich täglich mit verstörendem Filmmaterial befassen?
Schlimme Bilder wie jene aus Israel und Gaza belasten auch unsere Mitarbeitenden. SRF bietet allen Mitarbeitenden eine professionelle psychologische Unterstützung an. Das ist ein externer Dienst, bei dem man sich jederzeit melden kann. Diese Beratung erfolgt anonym.
Gibt es auch einen regelmässigen Austausch im Team, um die Eindrücke besser zu verarbeiten?
Klar, auch das Team und Vorgesetzte haben stets ein offenes Ohr für einen Austausch. Das ist wichtig, um zu merken, ob man jemanden stärker schützen oder betreuen muss. Generell habe ich den Eindruck, dass Mitarbeitende heute offener mit psychischen Belastungen umgehen und sich früher externe Hilfe holen. Da hat eine gewisse Enttabuisierung stattgefunden.
Das sind Bilder und Gerüche, die einen lange begleiten
Welche belastenden Momente haben Sie in Ihrer Berufskarriere erlebt?
Als Korrespondent in den USA habe ich mehrere Naturkatastrophen erlebt, Hurricanes und Waldbrände mit vielen Toten. Das sind Bilder und Gerüche, die einen lange begleiten.
Die Dinge als Reporter mitzuerleben, ist das eine. Viel härter ist es für die direkt betroffenen Menschen.
Klar, das sind die wirklichen Opfer. Sie müssen ein Leben lang mit diesen Schäden und Verlusten von Angehörigen klarkommen. Aber man muss schon bedenken, dass Menschen, die mit entsprechenden Bildern konfrontiert sind, das Ganze ein Stück weit innerlich miterleben. Die Emotionen, die da hervorgerufen werden, darf man nicht unterschätzen.
Das Gespräch führte Céline Werdelis.