Es kann sich rächen, wenn Eltern nicht oder zu spät mit ihren Kindern über Sexualität zu sprechen. Via Handy sind explizite und pornografische Inhalte nur einen Klick entfernt. Aber wie sagt man es Kindern und Jugendlichen? Wir haben junge Menschen gefragt, wie sie es gerne hätten.
1. Hört auf, wie aus einem Sachbuch zu rezitieren
André (18) findet, dass Sexualkunde auch den emotionalen Aspekt näherbringen muss und nicht nur biologisch erklären soll: «Es ist wie aus einem Sachbuch, wenn wir darüber reden. Sex ist nichts, was wir auswendig lernen. Es ist viel mehr – etwas, vom Schönsten, das es gibt. Trotzdem lernen wir es so, wie wir etwas über einen Baum lernen. Ein Baum ist auch toll, aber es ist trotzdem etwas anderes, cheggsch?»
Laura (22) wünscht sich, dass in der Schule Themen rund um Liebe, Beziehung und Sexualität als etwas ganz Normales behandelt werden:
«Die ideale Sexualaufklärung müsste nicht einmal als Sexualaufklärung betitelt werden und liesse sich so einfach in Unterricht einbauen. Einen Aufsatz schreiben? Warum kein Aufsatz über Emotionen! Ein Buch lesen? Warum nicht eines, in dem queere Leute involviert sind oder Masturbation benannt wird! Warum nicht im Englisch darüber reden? Oder gar in Mathe? Warum nicht mal statt Herrn Sowieso eine non-binäre Person fünf Äpfel kaufen lassen?»
2. Sprecht es an, wenn bei eurem Kind ein Thema akut ist
Vera (23) ist Teil des Jugendnetzwerks von Sexuelle Gesundheit Schweiz und klärt selbst junge Menschen auf. Sie empfiehlt, dringende Gespräche unbedingt zu führen: «Mich hat neulich eine Mutter um Rat gefragt, die von ihrer Tochter beim Sex erwischt worden ist und meint, ihre Tochter sei nun traumatisiert. Die Tochter ist 13 - sie weiss, dass es Sex gibt. Die Frage ist aber: Was hat sie mitbekommen?»
Pornografie etwa kann junge Menschen sehr fest prägen und Angst machen. Macht meine Mutter das, was ich im Film gesehen habe? Wenn die ersten Kontakte mit Pornografie sind, kann es schädlich sein für das Bild von Sexualität. Dann muss man es unbedingt ansprechen, auch wenn es unangenehm ist: «Es fühlt sich seltsam an, mit dir darüber zu sprechen. Aber ich möchte, dass du weisst, dass es meine Lust ist, dass ich es schön finde», meint Vera. Ich möchte nicht generalisieren, wie Kinder aufgeklärt werden sollen. Aber akute Situationen nicht zu thematisieren, ist gefährlich.»
3. Was sollen die veralteten Rollenbilder?
Luca (23) wünscht sich modernere Ansätze: «Etwa, dass Verhütung nicht nur Sache der Frau ist». Vera findet, Aufklärung sei heteronormativ: «Brauche ein Kondom, dann wirst du nicht schwanger! Toll, aber wie sollen sich zwei Frauen schützen, die gemeinsam Sex haben wollen?»
4. Kein Bock auf Tabus
Sofia (25) erklärt, dass sich bis heute gewisse Tabus hartnäckig halten: «Weibliche Lust ist ein Tabu. Wir hätten nie darüber geredet, dass auch wir Selbstbefriedigung machen». Auch queere Themen fänden zu wenig Platz: «Bei queeren Themen gibt es heute mehr Sichtbarkeit, aber sie ist immer noch zu wenig da. Man gilt noch immer als etwas anderes – und das wollen (queere) Kinder und Jugendliche nicht sein.»
Aufklärung beginnt daheim und ist mehr als das «eine Gespräch»
Kinder und Jugendliche müssen nicht mit ihren Eltern über alles reden wollen – aber es ist wichtig, dass sie wissen, dass sie es tun könnten. Aufklärung ist auch viel mehr als dieses eine Gespräch, in dem erklärt wird, wo die Babys herkommen. Aufklärung ist ein Kontinuum, weil jedes Alter andere Fragen mit sich bringt.
Wie sagt ihr es den Kindern?
Was antwortet ihr euren Kindern, Nichten oder Göttibuben, wenn sie explizite Fragen stellen? Wenn sie im Zoo fragen, was die beiden Schildkröten aufeinander machen? Warum Mami manchmal Blut in der Unterhose hat? Oder was das für Geräusche waren, die in der Nacht aus dem Elternschlafzimmer kamen?
Eure Erfahrungen interessieren uns – die Kommentarspalte gehört euch!