Niederschwellige Hilfe finden Kinder und Jugendliche unter der Nummer 147. Dort nehmen sich Leute wie die Psychologin und Pro Juventute-Beraterin Petra Schneider Zeit für Sorgen und Ängste. Input-Redaktorin Reena Thelly hat mit ihr über häufige Fragen und Antworten gesprochen.
Meine Kollegin denkt an Suizid - wie kann ich helfen?
Nicht nur direkt Betroffene, auch Freundinnen, Kollegen oder Geschwister von Jugendlichen mit Suizidgedanken rufen an: «Sie haben das Gefühl, dass sie konkret etwas tun müssen, damit es aufhört», sagt Petra Schneider.
Wir spiegeln ihnen, dass das eine schwierige Aufgabe ist, weil sich die Betroffenen oft vertraulich an sie wenden, dieses Geheimnis schwer auf ihren Schultern lasten kann und dass das nicht ihre Aufgabe ist.
Helfen könne man, indem man weiterhin eine gute Freundin oder ein guter Freund sei: «Füreinander da sein, zuhören, gemeinsam etwas unternehmen - Dinge, die in einer Freundschaft sehr wertvoll sind.» Ausserdem rät sie, die eigenen Eltern oder die Eltern des / der Betroffenen zu informieren. Petra Schneider ist in der Elternberatung von Pro Juventute auch für Eltern von Betroffenen da, wo andere Fragen im Vordergrund stehen können.
Wie zum Beispiel: «Ich habe Angst, dass sich meine Tochter etwas antut - aber wie ansprechen?»
«Die meisten sind froh, wenn es deutlich angesprochen wird. In den Beratungen reden wir auch nicht um den heissen Brei», sagt die Psychologin, man dürfe auch klare Fragen stellen: Ich frage:
«Willst du dir das Leben nehmen?»
Je klarer die Frage, desto einfacher sei dann das Gespräch. Dann komme es darauf an, wie die Beziehung vorher war. War es schon vorher möglich, über persönliche Dinge reden? Das mache es einfacher. «Du bist im Moment viel in deinem Zimmer, du machst nicht mehr ab, du gehst deinen Hobbys nicht mehr nach - zu spiegeln, was man beobachtet, kann ein guter Einstieg sein», sagt Petra Schneider.
Die Wartelisten in den Kliniken sind lang. Was tun, bis ein Platz für mein Kind gefunden ist?
«Eltern, die einen Platz für ihr Kind gefunden haben, aber noch warten müssen, empfehle ich, vor Ort zu fragen, was in der Zwischenzeit zu tun sei. Kann man einen Notfallplan erstellen, wo man sich hinwenden kann, wenn es schwieriger oder akuter wird mit den Suizidgedanken?», sagt Pro Juventute-Beraterin Petra Schneider.
«Die Eltern dürfen sich auch jederzeit bei der Elternberatung melden, dann schauen wir, was sie in dem Moment konkret brauchen. Das kann ein Gespräch, die Telefonnummer einer Notfallstation sein oder ein Kontakt, wo sich das Kind hinwenden kann. Das ist sehr individuell.»
«Neun von 10 Jugendlichen, die auf die Akutstation kommen, haben Suizidgedanken»
Neben Petra Schneider hat Reena Thelly auch mit Niklas Brons gesprochen. Er ist stellvertretender Klinikleiter und stellvertretender Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Dienste Aargau in Brugg / Windisch.
Zu ihm kommen Kinder und Jugendliche in einer akuten Krise. Neun von zehn Jugendlichen, die auf die Akutstation kommen, hätten Suizidgedanken, sagt Brons. Auch er hat eng mit den Eltern zu tun und kennt ihre Fragen.
Ich habe Angst, dass jedes falsche Wort etwas schlimmes auslösen kann. Wie kann ich so meinen Sohn erziehen?
«Zum Kümmern gehört, dass ich erzogen werde, dass da jemand ist, der sich um mich sorgt und das es auch Grenzen gibt», sagt Brons. Jugendliche müssten lernen, dass man sich nach einem Streit auch wieder versöhnen kann. Für sie könne ein Streit mit der Angst verbunden sein, verlassen zu werden. Aber da könnten Regeln helfen:
Auch wenn wir uns streiten – ich bin trotzdem für dich da. Darüber kann man reden.
Es könne destabilisierend sein, wenn dem Kind nur noch nachgeredet und ja gesagt werde. «Die Jugendlichen merken dann: Ich kann mich nicht mehr anlehnen.»
Zuhören klingt einfach – aber wie mache ich das, wenn es um Suizid geht?
Jugendliche merken, wenn Erwachsene schnell eine Lösung wollen: «Wenn ich frage, muss ich bereit sein, die Emotionen auszuhalten», sagt Niklas Brons. Es gehe nicht darum, sofort Lösungen zu finden: «Das kann dem Kind suggerieren: Es ist nicht ok, wir müssen das jetzt ändern.» Es gehe darum, die eigenen Emotionen hinten anzustellen und den Jugendlichen Platz zu geben.
«Nicht sofort Lösungen anbieten und statt dessen zeigen: Ich halte das mit dir zusammen aus. Erst einmal erzählen lassen - dabei kann es eine Spannungskurve geben: Erst wenn die Emotionen langsam wieder heruntergehen, was 20 - 30 Minuten dauern kann, nach Lösungen suchen.» Weinen, Wut, all diesen Emotionen müsse Raum gegeben werden. «Wenn der Peak vorbei ist, kann man fragen: Wie wollen wir weiter vorgehen?»