«Vor allem die erste Geburt ist schwierig gewesen», erzählt Ralf*. Es sei nicht einfach, den Menschen, den man am meisten liebe, unter so grossen Schmerzen zu sehen. Ralf ist Mitte 40 und Vater dreier Kinder.
Ich hätte besser weniger genau hingeschaut.
Eine Geburt habe etwas Brachiales: Zu sehen, wie der Kopf herauskommt, die Nabelschnur durchzuschneiden – das blutige Bündel in der Hand zu halten, das alles sei wunderschön gewesen. Aber auch zu viel für ihn: «Ich hätte besser weniger genau hingeschaut», sagt Ralf.
Gewisse Bilder hat Ralf nicht aus dem Kopf bekommen. Gewaltige Bilder, die sich auf ihn, aber auch auf die Beziehung zu seiner Frau und Mutter seiner Kinder ausgewirkt haben.
«Ich wollte die schönen Bilder nicht mit traumatischen Bildern überdecken»
Andri lebt mit seiner Frau und den vier Kindern in einem kleinen jurassischen Dörfchen. Zwei seiner drei leiblichen Kinder sind zu Hause auf die Welt gekommen. Beim dritten Kind zeichneten sich Komplikationen ab, darum gab es einen Termin für einen Kaiserschnitt im Krankenhaus.
Die Hausgeburten hat Andri in wunderbarer Erinnerung – und er hatte seine Aufgaben: Die Hebammen rufen, ein nasses Tuch zur Erfrischung oder einen Riegel zur Stärkung reichen.
Der Gedanke an einen Kaiserschnitt war zu viel für ihn. Er blieb bei der Geburt deshalb zu Hause und kümmerte sich um die anderen Kinder. «Ich wollte die schönen Bilder nicht mit traumatischen Bildern überdecken», sagt Andri.
Wenn die Bilder von der Geburt sich auf den Sex auswirken
Bei Ralf haben sich die Erinnerungen an die Geburt auf die Sexualität ausgewirkt. Es sei schwierig gewesen, nicht dauernd das Bild der Geburt im Kopf zu haben. Es wäre wohl besser gewesen, wäre er während der Geburt irgendwann hinter seine Frau gestanden und nicht vor sie. Das habe ihm damals niemand gesagt bei der Geburtsvorbereitung.
Sorgen und Ängste ansprechen
Andri fehle nichts, auch wenn er bei der Geburt seines dritten Kindes nicht dabei war. Auch für seine Frau habe es gestimmt, ohne ihn ins Spital zu gehen. Sie sei nicht der Typ, der Massagen oder eine Hand zum Halten brauche. Bei der Geburt sei sie gerne bei sich und brauche vor allem die Hilfe ihrer Hebamme.
Bei der Geburt ist sie die Königin und ich bin der Diener.
Andri und seine Frau haben über ihre Geburten gesprochen. Über Freuden, aber auch über Ängste. Für Andri ist klar – es ist ihr Körper. Sie entscheidet, was sie braucht. Die Rollen seien klar: «Bei der Geburt ist sie die Königin und ich bin der Diener».
«Andere Väter haben mich nicht verstanden»
Auch Ralf haben Gespräche mit seiner Frau geholfen. Er habe ihr von den Bildern erzählt, die in intimen Momenten überhand gewinnen und die Sexualität stören.
Darüber zu reden hat viel Druck genommen.
«Meine Frau war sehr verständnisvoll», sagt Ralf. «Das hat sehr geholfen. Darüber zu reden hat mir viel Druck genommen.»
Lange Zeit fühlte sich Ralf mit seinen Gedanken allein. Seine Frau habe ihn verstanden. Andere Väter hätten von wunderbaren Geburten erzählt und ihn nicht verstanden. «Erst im Nachhinein habe ich im Gespräch mit guten Kolleginnen von ähnlichen Erlebnissen erfahren», sagt Ralf.
Väter bei der Geburt: Die einen erzählen von einem Traum. Die anderen von einem Trauma. Die meisten dürften die Erinnerung an die Geburt ihrer Kinder irgendwo dazwischen einordnen. So wie Andri und Ralf.
Was es braucht, damit Väter gestärkt ins Abenteuer Kind starten können, gibt es in der Sendung Input zu hören. Am Sonntag, 3.2.2019 um 20 Uhr auf Radio SRF 3.
*Name geändert