Während der Kriegsjahre war er konfrontiert mit schrecklichen Erlebnissen, die sich für immer in sein Gedächtnis einbrannten. Brutale Szenen an der Front auf der einen, und die bunte Glitzerwelt des Showbusiness auf der anderen Seite. Ein Kontrastprogramm, das an Kuli, wie ihn seine Fans liebevoll nannten, nicht ohne Spuren vorüberging.
Die Kunst des Kaschierens
Einschaltquoten von 80 bis 90 % erreichte Kuli während seinen besten Zeiten mit Shows wie «Sieben auf einen Streich» oder ganz besonders natürlich «Einer wird gewinnen». Quoten, von denen man heutzutage nur noch träumen kann.
Sein Stil zu moderieren würde heute gewiss keinen Erfolg mehr haben. Nur schon sein jeweils fünfminütiger Monolog zum Auftakt einer EWG-Sendung wäre heute undenkbar. Es war die Zeit, als man sich vor der Kamera höfisch chauffierte und die Sorgen der Welt versuchte durch grandiose Kulissen und einlullende Operettenklänge zu kaschieren.
Charmanter Sprücheklopfer
Er könne weder tanzen, singen noch ein Instrument spielen. Dennoch sei er ein Showman geworden, kokettierte Kulenkampff. Dafür punktete Kuli mit seinem spitzbübischen Humor, seiner Schlagfertigkeit und seiner väterlichen Gelassenheit. Viele fanden ihn charmant, viele aber auch als machohaften Sprücheklopfer. Wer ihm genau zuhörte, dem fiel aber auch auf, dass sich hinter seinen witzigen Sprüchen mitunter ein bitterer Beigeschmack versteckte. Er sprach es nie wörtlich aus, aber die Kriegszeit nagte an seiner Seele.
Ostfront statt Bühne
Kulenkampff kam 1921 in Bremen zur Welt. Als junger, ambitionierter Schauspieler wollte er eigentlich auf die Bühne. Stattdessen wurde er an die Ostfront abberufen. Jeden Morgen wachte er dort neben toten und steif gefrorenen Kameraden auf. Er selbst schnitt sich mit einem Messer eigenhändig vier abgefrorene Zehen ab. Die brutalen Szenen des Krieges meisselten sich für immer in seinem Gedächtnis ein.
Obwohl er für dienstuntauglich erklärt wurde, musste er 1944 erneut einrücken, diesmal in Hannover. Dort musste er mit ansehen, wie die Zivilbevölkerung durch Bombenangriffe regelrecht zerfetzt wurde. Er geriet in Kriegsgefangenschaft und konnte erst danach als Schauspieler Fuss fassen.
Darüber spricht man nicht
Über all diese Erlebnisse hüllte Kulenkampff sich fortan in Schweigen. Auch dass sein vierjähriger Sohn 1957 bei einem Autounfall ums Leben kommt, trägt Kuli mit Stille. Die ganze Tragödie rund um Kulenkampffs Seelenleben kommt erst durch den Doku-Film «Kulenkampffs Schuhe»(2018) ans Licht. Eine Tragödie, die er übrigens mit anderen Showgrössen jener Zeit wie Hans Rosenthal, Joachim Fuchsberger oder Peter Alexander teilte.
Sie alle hatten den Krieg auf ihre eigene Weise erlebt. Aber während die heutige Instagram-Generation ihren gesamten Frust per Internet hinausposaunt, hüllte man sich bei den Vertretern der Kriegs-Generation lieber in Schweigen darüber was Schreckliches geschehen war. Man wollte nicht Salz in die alten Wunden streuen und damit das zum Teil ebenfalls traumatisierte Publikum aufregen.
Alte Gilde
Während Hans-Joachim Kulenkampff den jungen Menschen von heute kaum noch ein Begriff sein wird, erinnern sich reifere Semester noch gerne an den grossen Showmaster aus der Zeit, als das Fernsehen das Laufen lernte zurück. 1998 erlag Kulenkampff an Bauchspeicheldrüsen-Krebs. Am 27. April 2021 würde Kuli hundert Jahre alt werden.