Als Vierjährige zog Emilie Herzog mit ihrer Familie nach Hettenschwil und wuchs im Elternhaus ihrer Mutter auf. Das Mädchen war 11 Jahre alt, als es plötzlich Bauchschmerzen plagten. Da ein anderes Mädchen gerade an einem entzündeten Blinddarm gestorben war, sagte sie ihren Eltern zuerst nichts. Als es aber immer schlimmer wurde, nahm sie der Arzt mit seinem Fiat mit und operierte sie unmittelbar im Krankenhaus. Es war dringend, wie es sich herausstellte.
Mit 11 Jahren Halbwaise
Emilie Herzog musste für sechs Wochen im Krankenhaus bleiben. In der gleichen Zeit verunfallte ihre Mutter, als sie Emilies Vater das Mittagessen mit dem Fahrrad brachte. Er arbeitete an einem Bunker an der Grenze, denn die Schweiz bereitete sich auf den Krieg vor. Auf dem Rückweg stürzte die Mutter unglücklich und verletzte sich am Kopf.
Nach drei Tagen verstarb Emilies Mutter im Spital, ein Zimmer weiter von Emilie, und niemand erzählte dem Mädchen davon.
Als die 11-Jährige nach sechs Wochen wieder nach Hause gehen konnte, wollte sie zuerst nicht. Zuhause suchte sie ihre Mutter - vergeblich. Eine sehr schwierige Zeit begann.
Von einem Tag auf den anderen stand Emilies Familie ohne Mutter da. Dazu kam, dass der Krieg ausbrach und Emilies Vater einrücken musste. Wegen ihrer ausserordentlichen Familiensituation entschieden die Militärverantwortlichen, dass der Vater abends wieder zur Familie zurückkehren durfte. Um die Kinder zu betreuen, wurde eine Frau vom Frauenhilfsdienst geschickt. Weil nach kurzer Zeit sämtliche Pfannen durchgebrannt waren, schickte der Vater die Hilfskraft wieder weg.
Die Suche nach dem Glück
Nach der obligatorischen Schulzeit blieb Emilie zuhause und machte keine Lehre. Sie konnte zunächst für einige Zeit bei einer befreundeten Familie auf dem Bauernhof aushelfen. Danach half sie bei diverse Gelegenheitsarbeiten aus und fand schliesslich eine Anstellung als Serviertochter. Emilie machte aber auch schwierige Erfahrungen in den Gasthöfen und musste immer wieder die Stellen wechseln.
Schlussendlich half sie in der Fasnachtszeit beim Restaurant Schwert in Hornussen aus. Dort blieb sie und lernte später auch ihren Mann Fridolin kennen, der seinen Kaffee jeweils nach dem Mittagessen ausschliesslich wegen Emilie im Restaurant trank. In aller Stille heirateten die beiden.
Mit ihm zusammen zog Emilie Herzog drei Kinder gross und die Familie wohnte in einem kleinen Häuschen. Dort lebt die Seniorin noch heute, allein und selbständig, und feiert diesen Juli ihren 92. Geburtstag.
Lebensgeschichten auf SRF Musikwelle
In der «Sinerzyt»-Serie «Lebensgeschichten» von SRF Musikwelle blicken Seniorinnen und Senioren zurück in die Vergangenheit. Sie erzählen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – von wichtigen Episoden aus ihrem Leben. Manchmal werden diese nur kurz gestreift, ein anderes Mal detailliert geschildert.