Trotz schwieriger Startbedingungen und Schicksalsschlägen in der Familie absolvierte der junge Willy Haindl seine Lehre als Zimmermann. Die Arbeit an den Dachstühlen und in Kellerabteilen aus Holz langweilten ihn aber bald. Ausserdem war der Lohn mit knapp drei Franken äusserst knapp bemessen. Also schaute er sich um und interessierte sich für den damals angesagten Sichtbetonbau. Dort arbeitete er sich Schritt für Schritt nach oben.
Herausforderungen im ungewohnten Winkel
Eines Tages bot man ihm schliesslich an, die Bauleitung des St. Galler Stadttheaters zu übernehmen. Dieses ambitionierte Bauwerk bestehend aus Sichtbeton war eine spannende Herausforderung. In die Baupläne erhielt er erst kurz vor Baubeginn 1964 Einsicht und war erstaunt: Das Objekt wies keine rechten Winkel auf. Der Schweizer Architekt Claude Paillard hatte lauter Sechsecke vorgesehen. Auf Haindl wartete also eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe.
Anspruchsvolle Führungsaufgabe
Ebenso anspruchsvoll erwies sich die Führung des internationalen Teams. Haindl musste stets einen kühlen Kopf bewahren, um die Mitarbeiter zu motivieren.
Bisweilen waren auf der Baustelle, die er zu koordinieren hatte, bis zu 50 Mann im Einsatz. Haindl war zudem für die Finanzen verantwortlich. Wie sehr er unter Druck stand, wurde ihm aber erst später bewusst, als der Bau bereits abgeschlossen war. Dies machte sich auch gesundheitlich bemerkbar. Mittlerweile ist er stolz, dass das St. Galler Stadttheater noch heute steht und die Betonwände, die unter seiner Führung entstanden, noch heute sichtbar sind.
Nach dem Bau wird gesprengt
Haindls nächste Lebens-Etappe wurde ausgerechnet durch ein grosses Unglück beeinflusst. Als in Hemmental SH 1967 bei einer Sprengung neun Menschen ums Leben kamen, fasste er den Entschluss, selbst Sprengmeister zu werden. Alsbald half er bei den Sprengarbeiten am Gotthard mit. Besonders medienwirksam war die Sprengung des Hochkamins der ETH auf dem Hönggerberg in Zürich vom 28. Januar 1988. Auch die Berufung als Sprengmeister erfüllte Haindl wieder mit grosser Leidenschaft und wurde sogar für Aufträge im Iran oder im Jemen engagiert.
Der Druck ist weg
Mittlerweile verbringt der Witwer und dreifache Vater seinen Lebensabend in Uster ZH. Der berufliche Druck von damals hat längst nachgelassen. Ein wenig wehmütig blickt Haindl auf sein Leben zurück. Einerseits ist er stolz darauf, so viel erreicht zu haben. Andererseits findet er es auch etwas schade, dass die Arbeit gleichzeitig sein grösstes Hobby war.