Das Appenzellerland ist sehr reich an Traditionen und Brauchtum. Aber Sagen gäbe es keine, hiess es in Roland Inauens Studium. Appenzell sei die klassische Gegend vom Witz. Vermutlich hat sich nie ein grosser Sagensammler oder eine Sammlerin auf den Weg gemacht – anders als im Wallis, Bünderland oder Uri.
Das liess dem Innerrhoder keine Ruhe. Roland Inauen las sich in alte Chroniken und stiess dabei auf den Innerhoder Klemens Geiger. Der Kapuziner beschreibt jede Bergkette und jedes Tal, das er durchquert hat. Dabei sah er mehr als nur die physische Welt. Er sah Dinge, die man heute nicht mehr sieht. Genau das faszinierte Roland Inauen und aus diesem Material entstanden seine Sagen.
Die Wirtsstube als Familienstube
Roland Inauen ist in einem Wirtshaus aufgewachsen. Die Wirtsstube war gleichzeitig auch die Familienstube. Als Kind hat er dort gegessen und die Hausaufgaben gemacht. Und natürlich auch die Ohren gespitzt, wenn die Stammgäste am anderen Tisch Geschichten und ihre Abenteuer erzählten.
«Als Goofe hat man grosse Ohren und bekommt viel mit – auch Dinge, die man nicht unbedingt hätte hören sollen», so der Sagenerzähler. Das alles hatte Einfluss auf Roland Inauen. Er war schon immer interessiert an Erzählungen.
Roland Inauen erzählt Sagen aus dem Appenzell Innerrhoden
«Das kranke Vieh»
Ein Vieh auf der Alp wurde krank. Auch der Vieh-Doktor konnte nicht helfen. Das Vieh war verhext.
«Tragische Liebesgeschichte»
Zwei Familien waren bis aufs Blut zerstritten. Aus diesen Familien verliebten sich ein Junge und ein Mädchen ineinander. Ein Waldbruder schickte die beiden auf eine Alp, wo ein Ungeheuer wütete. Würden sie überleben, durften sie ein Paar bleiben.
«Kräuterfrau»
Die in totaler Abgeschiedenheit lebende Kräuterfrau soll der Tochter eines einflussreichen Politikers Heilung bringen.
«Der Riesenfisch im Fälensee»
Ein regelrechtes Monster treibt im tiefen Fälensee sein Unwesen. Der riesengrosse Killerfisch frisst, zum Leidwesen der Fischer, beinahe den ganzen restlichen Fischbestand leer. So ist es sogar in der Appenzell Innerhodener Chronik niedergeschrieben.
«Stiefel Hans»
Als Gemeindeamman hatte Stiefel Hans einen guten Ruf, bis man ihm auf die Schliche kam. Er trickste seine Bürger noch am Totenbett aus, um ihnen Geld abzuluchsen. Dafür musste er seinen Kopf lassen. Seither treibt er sein Unwesen.
«Dr Handbueb»
Während der Alpabfahrt musste der Handbub alleine zurückbleiben und auf die Schweine aufpassen. Allerdings waren da keine Schweine mehr, sondern eine fröhliche Gesellschaft, die ihm einen Wunsch erfüllte. Sein Meister erfuhr davon und wollte auch beglückt werden, was allerdings schief ging.
«Mittagsschlaf»
«Mittagsschlaf» heisst die Lieblingssage von Roland Inauen. Der Appenzeller Sagenerzähler gönnt sich selber nach dem Mittagessen jeweils eine kurze Pause und sei es nur für zwei, drei Minuten. Ein Mittagsschlaf birgt allerdings auch gewisse Tücken, wie einst ein Senn erfahren musste.
«S Musigloch»
Im Alpstein gibt es drei bis vier Luftlöcher, aus denen Luft strömt. Aus einem der Löcher ertönt aber Musik. Diese Musik ist so schön und faszinierend, dass die Wanderer ihre Ohren kaum mehr ablösen konnten.