Als ihre Nerven blank lagen, verlor sie gleichzeitig auch ihren Job im Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur. Zu dem Zeitpunkt war sie 58 Jahre alt. Beatrice Nater musste sich also neu orientieren. Halt fand die ausgebildete Erzählerin, Museumspädagogin und Kulturvermittlerin in ihrer märchenhaften Fantasiewelt.
Sagen unterscheiden sich von Märchen
Zusammen mit einer Harfenistin lässt sie seither ihr Publikum in Schulen, Altersheimen oder in Restaurants in ihre Fantasiewelt mit eintauchen. Anfangs beschränkte sie sich auf Märchen. Mittlerweile hat sie ihr Repertoire auch auf Sagen ausgeweitet. Was sie daran besonders fasziniert ist, dass Sagen im Gegensatz zu Märchen einen wahren Kern und Ortsbezug besitzen.
Sagen enthalten viele Lebensweisheiten, die uns immer wieder begegnen.
Akribische Auswahl
Wie die Volksmusik sieht Nater auch Sagen als wichtiges Kulturgut, das gepflegt werden muss. Sie zeigen Ängste und Sorgen von früher auf. Mit Vorliebe schmückt Nater ihre Geschichten denn auch mit Wörtern aus, die aus einer früheren Zeit stammen und heute nicht mehr allzu geläufig sind. Entsprechend akribisch genau arbeitet sie daran, bis sie eine neue Geschichte in ihr Repertoire aufnimmt. Jeder Tonfall und jeder Ausdruck muss sitzen und ihr auf der Zunge liegen.
Beatrice Nater erzählt Sagen aus dem Toggenburg und See-Gaster
«S'Spinnfräuli»
Im Eschenbacherwald wohnte vor Jahren das Spinnfräuli, abseits der Menschheit. Ein Mann machte sich in angetrunkenem Zustand zur Hütte. Das Spinnfräuli aber sprang ihm auf den Kopf und jagte den Mann davon.
«S' Regeli»
Regeli ist ein verwunschenes Weiblein, das in einer brandschwarzen Hütte haust. Wer sie erlösen will, muss in ebendiesem Haus dreimal nächtigen. Eine scheinbar einfache Aufgabe, an der aber sogar ein furchtloser Kerl scheitert.
«S'Meitli und s'Gold»
Ein junger Uzner trifft bei der Kapelle auf ein Mädchen, das traurig auf einem schweren schwarzen Koffer mit Gold sitzt. Er möchte ihm helfen, aber weil er sich nicht an die genauen Anweisungen hält, kann er das Mädchen nicht erlösen.
«S Dracheloch bim Chüemettler»
In einer ehemaligen Drachenhöhle hausen mittlerweile emsige Zwerge, die Edelsteine abbauen. Davon möchte ein Bauernjunge gerne etwas abstauben. Die Enttäuschung ist aber gross.
«Die wilde Männli»
Eine Hebamme hilft bei der Geburt eines Zwergenkindes und erhält als Lohn einen mickrigen Steinklumpen – aber dieser hat es in sich.
«Dr Berrggeischt»
Eine bildschöne Bauernstochter ist zwar bereits verlobt, verliebt sich dennoch in einen schönen, fremden Jüngling – aber der Schein trügt.
«S’ Fetzfräulein»
Im Fetzwald fand schon so mancher Wanderer den Tod, weil ihm eine alte Frau den falschen Weg wies.
«D'Idda vom Toggeburg»
Eine diebische Elster und ein eifersüchtiger Graf führen zu einer folgenschweren Tat.