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Eidgenössisches Volksmusikfest: Gute Laune mit Bandellas
Aus Tagesschau vom 23.09.2023.
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Tessiner Volksmusik Bandella: Rebellen ohne Normen – mit Tradition

Bandelle, das sind die kleinen Geschwister der grösseren Bandas. Sie sind musikalische «Rebellen», die keiner Norm folgen. Gleichzeitig sind sie Traditionalisten mit hohem Wiedererkennungswert. Ein Widerspruch, der nicht unbedingt einer ist.

Kein Dorffest, kein Karneval und keine Hochzeit ohne Bandella. Etabliert haben sich die Bandelle etwa zeitgleich mit der Verbreitung von Blasmusikinstrumenten anfangs des 19. Jahrhunderts im ganzen norditalienischen Raum und in der italienischsprachigen Schweiz.

Heute sterben die traditionellen, kleinen Blaskapellen in Norditalien immer mehr aus. Im Tessin sind Bandelle nach wie vor verbreitet und fester Bestandteil der Musikkultur.

Drei Musiker mit Trompete, Posaune und Saxophon auf einem Dorfplatz.
Legende: Bandella-Musiker beim «Alpentöne»-Musikfestival in Altdorf Sie gehören zum musikalischen Grundrepertoir der italienischsprachigen Schweiz und Norditalien: Bandelle. Keystone / Alexandra Wey

Bandelle sind kleine Blaskapellen. Sozusagen die kleinen Geschwister der grösseren Formationen, die sich «Bandas» nennen. Eines ihrer Hauptidentitätsmerkmale: Sie spielen aus dem «Stegreif» alte überlieferte Musik und interpretieren immer neu und gänzlich frei. 

«Es haben Musikanten gespielt, die nach Gehör spielen konnten und Freude daran hatten», sagt Emanuele Delucchi. Der 44-jährige Delucchi aus Arogno ist selber Mitglied einer Bandella. Er erzählt, dass «zum Tanz aufspielen» schon immer die erste und wichtigste Aufgabe einer Bandella war. Es ging, so Delucci, immer darum, den Festen einen musikalischen Rahmen zu geben.

Bandella für die musikalische Freiheit!

Viele Bandelle entstanden oft aus dem Wunsch einzelner Musiker – traditionell waren dies bis in die 90er-Jahre nur Männer – freier musizieren zu können. In einer Banda, also einem Blasorchester, mussten Regeln eingehalten, dem Dirigenten gefolgt und vorgegebene Stücke gespielt werden.

Woher stammt der Begriff Bandella?

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Ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern «Bandella im Tessin» hat in den Jahren 2018 und 2019 die Geschichte und Spielweise der Bandelle in einem Bericht aufgearbeitet. Laut dem Forschungsbericht ist der Begriff «Bandella» nichts anderes als eine Verniedlichung des Wortes «banda».

Die Bandelle war somit ursprünglich das rebellische und freigeistige Gegenstück zur lokal institutionalisierten Banda. Die meisten aktiven Bandelle haben aber in der heutigen Zeit nicht mehr zwingend eine feste Anbindung an die örtliche Banda.

Unverkennbarer – fast schon klischierter – Klang

Der Sound der Bandellas, der oft ohne Noten ganz frei nach Gehör interpretiert wird, ist trotz seiner freien Interpretation und Verspieltheit unverkennbar.

Audio
Bandella gestern und heute
aus Volksmusik aktuell vom 21.09.2023. Bild: zvg
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Dieses tessinerisch-Italienische Klangbild, welches man mit den Bandelle oft assoziiert, entsteht durch eine wiedererkennbare Melodie-Führungen. Auch wenn eine Person aus der Deutschweiz in einer Bandella spielt, erkennt man den typischen «italienischen» Einschlag unwillkürlich. Diese Muster zu imitieren gehört somit vielleicht auch zu dem, was die Bandellas so erfolgreich macht.

Laut dem Musiker Delucci ein Rezept, welches sich bis heute bewährt hat oder eben genau darum auch immer noch erfolgreich ist. Er sagt: «Das Interesse für Bandelle und diese Musik ist in den letzten Jahren wieder präsenter geworden.»

Die Abweichung von der Norm als Norm

Laut dem Forschungsbericht der Universität Luzern gäbe es im Tessin heutzutage eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon, wie eine Bandella zusammengesetzt sein sollte, auch wenn viele Formationen von diesem Muster abweichen würden. Historisch liesse sich aber keine «Normierung» ableiten.

Die erste und wichtigste Aufgabe einer Bandella war, zum Tanz aufzuspielen.
Autor: Emanuele Delucchi Bandella Musiker

Ein Merkmal der kleinen Blasmusik sei ihr informelles Wirken. Gegenüber den Forschenden betonten Personen, mit denen im Rahmen der Studie Gespräche geführt wurden, dass ihre eigene Gruppe untypisch sei für eine Bandella und nicht mit anderen Formationen verglichen werden könne. Keine Norm zu haben, ist also für Bandelle eigentlich die Norm.

Das Volksmusik-Superjahr

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Eine Frau und ein Mann tanzen in der Tracht
Legende: SRF

Hier gibt es weitere Inhalte zum SRF Thema Volksmusik.

SRF Musikwelle «Volksmusik aktuell», 21.9.2023, 11:20 Uhr ; 

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