Kein Dorffest, kein Karneval und keine Hochzeit ohne Bandella. Etabliert haben sich die Bandelle etwa zeitgleich mit der Verbreitung von Blasmusikinstrumenten anfangs des 19. Jahrhunderts im ganzen norditalienischen Raum und in der italienischsprachigen Schweiz.
Heute sterben die traditionellen, kleinen Blaskapellen in Norditalien immer mehr aus. Im Tessin sind Bandelle nach wie vor verbreitet und fester Bestandteil der Musikkultur.
Bandelle sind kleine Blaskapellen. Sozusagen die kleinen Geschwister der grösseren Formationen, die sich «Bandas» nennen. Eines ihrer Hauptidentitätsmerkmale: Sie spielen aus dem «Stegreif» alte überlieferte Musik und interpretieren immer neu und gänzlich frei.
«Es haben Musikanten gespielt, die nach Gehör spielen konnten und Freude daran hatten», sagt Emanuele Delucchi. Der 44-jährige Delucchi aus Arogno ist selber Mitglied einer Bandella. Er erzählt, dass «zum Tanz aufspielen» schon immer die erste und wichtigste Aufgabe einer Bandella war. Es ging, so Delucci, immer darum, den Festen einen musikalischen Rahmen zu geben.
Bandella für die musikalische Freiheit!
Viele Bandelle entstanden oft aus dem Wunsch einzelner Musiker – traditionell waren dies bis in die 90er-Jahre nur Männer – freier musizieren zu können. In einer Banda, also einem Blasorchester, mussten Regeln eingehalten, dem Dirigenten gefolgt und vorgegebene Stücke gespielt werden.
Die Bandelle war somit ursprünglich das rebellische und freigeistige Gegenstück zur lokal institutionalisierten Banda. Die meisten aktiven Bandelle haben aber in der heutigen Zeit nicht mehr zwingend eine feste Anbindung an die örtliche Banda.
Unverkennbarer – fast schon klischierter – Klang
Der Sound der Bandellas, der oft ohne Noten ganz frei nach Gehör interpretiert wird, ist trotz seiner freien Interpretation und Verspieltheit unverkennbar.
Dieses tessinerisch-Italienische Klangbild, welches man mit den Bandelle oft assoziiert, entsteht durch eine wiedererkennbare Melodie-Führungen. Auch wenn eine Person aus der Deutschweiz in einer Bandella spielt, erkennt man den typischen «italienischen» Einschlag unwillkürlich. Diese Muster zu imitieren gehört somit vielleicht auch zu dem, was die Bandellas so erfolgreich macht.
Laut dem Musiker Delucci ein Rezept, welches sich bis heute bewährt hat oder eben genau darum auch immer noch erfolgreich ist. Er sagt: «Das Interesse für Bandelle und diese Musik ist in den letzten Jahren wieder präsenter geworden.»
Die Abweichung von der Norm als Norm
Laut dem Forschungsbericht der Universität Luzern gäbe es im Tessin heutzutage eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon, wie eine Bandella zusammengesetzt sein sollte, auch wenn viele Formationen von diesem Muster abweichen würden. Historisch liesse sich aber keine «Normierung» ableiten.
Die erste und wichtigste Aufgabe einer Bandella war, zum Tanz aufzuspielen.
Ein Merkmal der kleinen Blasmusik sei ihr informelles Wirken. Gegenüber den Forschenden betonten Personen, mit denen im Rahmen der Studie Gespräche geführt wurden, dass ihre eigene Gruppe untypisch sei für eine Bandella und nicht mit anderen Formationen verglichen werden könne. Keine Norm zu haben, ist also für Bandelle eigentlich die Norm.